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Die Liebe am Nachmittag

Die Liebe am Nachmittag

Titel: Die Liebe am Nachmittag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erno Szep
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noch nie.
    Ins Café Gerbeaud setzt sie sich allenfalls vor dem Mittagessen.
    Ihre Schneiderin, den Kürschner, Schuhmacher, Juwelier, den Zahnarzt, Grafologen hat sie in der Inneren Stadt.
    Wie für die Studenten gibt es auch für sie Pflichtlektüre. Romane kauft sie in der Grill’schen Buchhandlung, wo sie auch ein Konto hat. In ungarischer Sprache liest sie die Barorin Lili Hatvany und den Jagdschriftsteller Zsigmond Széchenyi. Sie hat seinerzeit Green Hat gelesen und etwa drei Prousts, als man in Gesellschaft darüber reden musste; natürlich verschlang sie auch
Gentlemen Prefer Blonds
, später, schon zu meiner Zeit, Axel Munthe. Um des lieben Friedens willenmusste ich ihn ebenfalls lesen. Gelesen hat sie auch
Climats
von Maurois. Ich redete so lange auf sie ein, bis sie zugab, dass er langweilig ist. Natürlich gehörte
Lady Chatterley’s Lover
von Lawrence zu ihrer Lektüre, als einziges Werk dieses armen toten Iren. Sie versprach mir, auch
The Virgin and the Gipsy
zu lesen, wenigstens noch dieses eine, aber sie hat mich reingelegt. Trotz meines heftigen Protests las sie nacheinander zwei Kessel, weswegen ich ihr beinahe den Laufpass gegeben hätte, obwohl sie damals erst einen Monat lang meine Geliebte war.

3.   Nacht
    Bei einem Abendessen verbündete ich mich mit jener Dame.
    Es war eines jener Abendessen, bei denen mindestens dreißig Leute speisen. Manchmal ist mir nicht einmal die Hälfte der Gäste bekannt. Und von manch einem, den ich zwar kenne, weiß ich den Namen nicht. Bis zu sechsmal wollte ich ihn mir merken und habe ihn doch immer wieder vergessen. Bin schon so weitgehend anonymisiert, dass ich mich überhaupt nicht mehr darum kümmere, neben wem ich zu stehen komme: Servus, sage ich zu ihm, mein Bester, und rede eine Minute lang irgendetwas Belangloses. Es gibt Herren und Damen, die ich niemals anders als in Smoking und Abendkleid gesehen habe; kriege sie nur so zu Gesicht, als drehte sie ein Karussell immer wieder herbei, als existierten sie anders überhaupt nicht, sie sind nirgendwo sonst und tun nichts anderes, als ununterbrochen auf diesem Abendgesellschaftskarussell zu sitzen, vom Herbst bis in den Sommer. Ich registriere bei den Herren, wie viel stärker sich ihre Nasen seit letztem Jahr gerötet haben und um wie viel mehr ihre Augäpfel hervortreten, ferner ob sich bei dieser oder jener Damedie Nase schärfer abzeichnet oder sich bei dem einen oder anderen Herrn das Haar vorn oder seitlich gelichtet hat. Als Student bekam ich in fremden Häusern gelegentlich ein Mittagessen, jetzt ist es das Essen am Abend. Heute kann ich mir auch schon aus eigenen Einkünften das Nachtmahl leisten, bin nicht mehr darauf angewiesen, in diesem oder jenem Haus Essen und Trinken zu schnorren. Für solcherlei Wohltaten pflege ich mich nicht zu revanchieren. Sicher nicht, schließlich zahle ich bei diesen Gratisspeisungen drauf, indem ich für das Dienstmädchen zwei Pengő Trinkgeld zurücklasse, zudem erreiche ich spät abends meist keinen Bus mehr und muss oft von ziemlich weit draußen per Taxi nach Hause fahren, das kostet mich drei Pengő, die getragene Hemdbrust ist ebenfalls bei den Kosten zu verbuchen. Im Club oder in einer Kneipe kann ich für zwei Pengő zu Abend essen. Dabei habe ich bei den Minusposten noch gar nicht in Rechnung gestellt, dass ich anderntags nicht rechtzeitig aus dem Bett komme und den Vormittag abschreiben muss. Es gibt Häuser, in die ich aus Berechnung gehe, sagen wir aus Dankbarkeit gegenüber einem Geldgeber, der mir was geborgt hat, ein anderer Hausherr wieder ist sonst ein wichtiger Mensch, der mir noch einmal nützlich sein könnte, gelegentlich aber nehme ich auch aus Schwäche eine Einladung an, einfach weil man auf mich zählt; hier und da bin ich meiner Eitelkeit wegen in nobler Gesellschaft, auch wenn ich mir das nicht eingestehe; ich sage mir, du musst die Welt studieren, die Gesellschaft, diese Dame, jener Herr bieten Stoff für den nächsten Roman oder ein Stück Schauspiel; dabei nehme ich von solchen Abenden niemals etwas mit, höchstens den Lärm, der im Ohr verhallt wie das Gejohle in den Unterrichtspausen des Gymnasiums. Auf jeden Fall lerne ich Damenmode, Teppiche, Gemälde, Möbel kennen und profitiere von allem soviel wie möglich. Wo immer ich Gelegenheit dazu habe, hefte ich mich an eine Bücherwand, nasche vondiesem oder jenem Klassiker, ich selbst besitze nämlich keine Bibliothek. Einer der Kavaliere starrte mich, als ich ihm bei einer dieser

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