Die Liebe des Highlanders
so tiefe Verzweiflung gestürzt. Wie sollte sie weiterleben, wenn Nevin nicht mehr war? Wer würde einer nutzlosen Alten Beistand leisten? Die weite gähnende Dunkelheit würde sie mit ihrem großen Maul verschlingen. Sie hatte keine andere Wahl, als Drustan MacKeltar unschädlich zu machen.
Eine Woche später stand Besseta mit den Zigeunern und deren Sippenältesten - einem silberhaarigen Mann namens Rushka - auf der Lichtung an dem kleinen Loch westlich der Burg Keltar.
Drustan MacKeltar lag bewusstlos zu ihren Füßen.
Sie beäugte ihn argwöhnisch. MacKeltar war ein starker Mann, groß und dunkel, ein Berg aus bronzefarbenen Muskeln und Sehnen, selbst wenn er flach auf dem Rücken lag. Sie schauderte und stieß ihn vorsichtig mit dem Zeh an. Die Zigeuner lachten.
»Selbst wenn der Mond auf ihn herunterfiele, würde er nicht aufwachen«, erklärte Rushka, und seine dunklen Augen blitzten belustigt.
»Seid Ihr sicher?«, fragte Besseta.
»Das ist kein natürlicher Schlaf.«
»Ihr habt ihn doch nicht umgebracht?«, erkundigte sie sich besorgt. »Ich habe Nevin versprochen, ihm kein Leid anzutun.«
Rushka zog eine Augenbraue hoch. »Ihr habt eine interessante Vorstellung von Ehre«, spottete er. »Nein, wir haben ihn nicht getötet. Aber er schläft und wird bis in alle Ewigkeiten schlafen. Das ist ein uralter Zauber, der ganz behutsam ausgesprochen wird.«
Als sich Rushka abwandte und seine Männer anwies, den verzauberten Laird auf den Wagen zu legen, atmete Besseta erleichtert auf. Es war sehr riskant gewesen, sich in die Burg zu schleichen, die Tinktur in den Wein des Laird zu träufeln und ihn auf die Lichtung in der Nähe des Lochs zu locken - aber alles war nach Plan verlaufen. Er war am Ufer des glitzernden Sees zusammengebrochen, und die Zigeuner hatten ihr Ritual vollzogen. Sie malten sonderbare Zeichen auf seine Brust, bestreuten ihn mit Kräutern und sangen dabei.
Die Zigeuner bereiteten ihr Unbehagen, und sie sehnte sich danach, in der Sicherheit ihrer Hütte Zuflucht zu suchen. Aber sie blieb, um die Zeremonie zu beobachten und sicherzugehen, dass die Durchtriebenen ihren Teil der Abmachung erfüllten. Zudem wollte sie sich mit eigenen Augen überzeugen, dass Nevin keine Gefahr mehr drohte und er niemals in Drustan MacKeltars Reichweite kam. In dem Moment, in dem die letzten Worte des Zauberspruchs verklungen waren, hatte sich die Luft auf der Lichtung verändert: Besseta spürte plötzlich eine Eiseskälte, eine überwältigende Schwäche überkam sie, und sie sah sogar, wie sich ein eigenartiges, orangefarbenes Licht auf den Körper des Laird senkte. Die Zigeuner besaßen tatsächlich eine mächtige Zauberkraft.
»Wahrhaftig, bis in alle Ewigkeit?«, hakte Besseta nach. »Er erwacht nie wieder?«
»Ich habe es Euch doch gesagt«, entgegnete Rushka ungehalten. »Dieser Mann schlummert regungslos. Die Zeit kann ihm nichts anhaben. Er wird niemals erwachen, es sei denn, menschliches Blut vermischt sich mit Sonnenlicht auf dem Bann, der in seine Brust geritzt ist.«
»Blut und Sonnenschein würden ihn wecken? Das darf nicht sein!«, rief Besseta erschrocken aus.
»Es wird nicht geschehen. Nicht dort, wo wir ihn verstecken. Ihr habt mein Wort. Die Sonnenstrahlen werden ihn in den unterirdischen Höhlen in der Nähe des Loch Ness niemals erreichen. Und kein Mensch wird ihn an diesem geheimen Ort jemals finden. Niemand außer uns kennt das Verlies.«
»Ihr müsst ihn tief unter der Erde verstecken«, drängte Besseta. »Sperrt ihn ein. Er darf niemals gefunden werden.«
»Ich sagte bereits, Ihr habt mein Wort«, versetzte Rushka scharf.
Als die Zigeuner mit ihrem Karren im Wald verschwanden, sank Besseta auf die Knie und murmelte ein Dankgebet zu einer Gottheit, die ihr zuhören würde.
Die Erleichterung überwog das schlechte Gewissen, und sie tröstete sich mit dem Gedanken, dass sie den Laird nicht verwundet hatte.
Er war, wie sie Nevin versprochen hatte, unversehrt.
Jedenfalls im Großen und Ganzen.
1
Schottische Highlands
19. September der Gegenwart
Gwen Cassidy brauchte einen Mann.
Unbedingt.
Und wenn sie schon in dieser Beziehung offensichtlich kein Glück hatte, würde sie wenigstens gern eine Zigarette rauchen. Gott, ich hasse mein Leben, dachte sie. Ich weiß nicht einmal mehr, wer ich eigentlich bin.
Sie sah sich in dem überfüllten Bus um, holte tief Luft und rieb über das Nikotinpflaster an ihrem Arm. Nach diesem Fiasko hatte sie sich eine Zigarette verdient.
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