Die Liebe des Highlanders
Aber selbst wenn es ihr gelang, aus diesem schrecklichen Bus zu entkommen und ein Päckchen aufzutreiben, hatte sie Angst, eine Überdosis Nikotin abzubekommen, wenn sie eine rauchte. Sie fühlte sich zittrig und elend, seit sie das Pflaster trug.
Vielleicht sollte ich erst mit dem Rauchen aufhören, wenn ich meinen »Kirschenpflücker«, den Mann, der mich defloriert, ge funden habe, dachte sie. In ihrer gegenwärtigen Stimmung zog sie die Männer nicht gerade an wie Honig die Fliegen. Sie präsentierte ihre Jungfräulichkeit nicht im allerbesten Licht, wenn sie jeden Mann, dem sie begegnete, anfauchte.
Sie lehnte sich auf dem rissigen Sitz zurück und zuckte zusammen, als der Bus über ein Schlagloch holperte und sich eine Sprungfeder in ihr Schulterblatt bohrte. Nicht einmal die glatte, geheimnisvolle, schiefergraue Oberfläche des Loch Ness vor dem klapprigen Fenster, das nicht zubleiben wollte, wenn es regnete - und ansonsten nicht aufblieb -, konnte ihr Interesse wecken.
»Gwen, geht es Ihnen gut?«, erkundigte sich Bert Hardy freundlich von der anderen Seite des Ganges.
Gwen spähte durch ihren Jennifer-Aniston-Fransen- pony - den sie sich für teures Geld hatte schneiden lassen, um ihren persönlichen Brad Pitt auf sich aufmerksam zu machen - Richtung Bert. Die Fransen kitzelten sie an der Nase und ärgerten sie. Bert hatte sie zu Beginn der Tour vor einer Woche stolz davon in Kenntnis gesetzt, dass er dreiundsiebzig Jahre alt war und nie besseren Sex gehabt hatte als jetzt. Dabei hatte er die Hand seiner molligen, frisch Angetrauten Beatrice getätschelt. Gwen hatte höflich gelächelt und ihnen gratuliert. Seit dieser kleinen Freundlichkeit war Gwen für das fürsorgliche Paar »das liebe amerikanische Mädchen«.
»Alles bestens, Bert«, beteuerte sie und fragte sich im Stillen, wo er das zitronengelbe Polyester-Hemd und die grasgrüne Hose aufgetrieben hatte, die so gar nicht zu den weißen Lederschuhen und den karierten Socken passte. Das regenbogenartige Ensemble vervollständigte eine rote Wolljacke, die über dem Bauch zugeknöpft war.
»Sie sehen gar nicht gut aus, Liebes«, sorgte sich Beatrice und rückte den breitkrempigen Strohhut auf ihren silberblau- en Locken zurecht. »Ein bisschen grün um die Nasenspitze.«
»Das liegt nur an der holprigen Fahrt, Beatrice.«
»Wir sind bald in dem Dorf, dann müssen Sie einen Bissen mit uns essen, bevor wir uns alles ansehen«, bestimmte Bert. »Wir können uns das Haus anschauen, in dem der Hexenmeister Aleister Crowley gelebt hat. Man sagt, dass es dort spukt«, teilte er ihr vertraulich mit und wackelte mit seinen buschigen, weißen Augenbrauen.
Gwen nickte apathisch. Sie wusste, dass es zwecklos war,
Protest einzulegen. Beatrice hatte lediglich Mitleid mit ihr, aber Bert war fest entschlossen, dafür zu sorgen, dass sie »ih ren Spaß« hatte. Bereits nach wenigen Tagen war ihr klar gewesen, dass sie sich auf dieses lächerliche Unternehmen niemals hätte einlassen dürfen.
Aber zu Hause in Santa Fe, New Mexico, war ihr beim Blick aus dem Fenster ihres Kabuffs bei der Versicherungsgesellschaft der Gedanke, in Schottland - oder sonst irgendwo - zu sein, unwiderstehlich erschienen. Damals musste sie sich mit einem Versicherungsnehmer herumschlagen, dem es gelungen war, eine Chiropraktiker-Rechnung über erstaunliche 9827 Dollar vorzuweisen, obwohl der Schaden an seiner hinteren Stoßstange für nur 127 Dollar beseitigt werden konnte.
Deshalb hatte sie sich von dem Mann im Reisebüro überzeugen lassen, dass eine vierzehntägige Tour durch die romantischen Highlands und Lowlands von Schottland, die sie 999 Dollar kosten würde, genau das war, was sie brauchte. Der Preis war akzeptabel; der Gedanke, impulsiv auf so einen Vorschlag einzugehen, erschreckte sie, aber gerade das könnte sie aus den eingefahrenen Gleisen schubsen.
Vierzehn Tage in Schottland für tausend Dollar - das musste einfach eine Seniorenreise sein, und sie hätte das wissen müssen. Aber sie war so erpicht darauf, der Langeweile und Leere zu entkommen, dass sie nur einen flüchtigen Blick auf die Routenbeschreibung geworfen und an ihre möglichen Reisebegleiter gar keinen Gedanken verschwendet hatte.
Achtunddreißig Senioren zwischen zweiundsechzig und neunundachtzig plauderten, lachten und waren bei jedem Besuch in einem Dorf, Pub oder Tal voll grenzenloser Begeisterung. Gwen wusste, dass diese Leute, wenn sie nach Hause kamen, ihre Freunde beim Kartenspiel mit endlos
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