Die Liebe des letzten Tycoon
Helden nämlich ohne Makel, einen Geschäftsmann mit der Moral eines Patriarchen, einen Erfolgreichen, der sich ohne Tricks aus eigener Kraft hochgearbeitet hatte, und das sehr schnell. All dies können wir in der Liebe des letzten Tycoon in der vorliegenden Form schon lesen. Als Fitzgerald über seinen Entwürfen starb, lebte das Buch bereits. Es musste veröffentlicht werden, darüber waren sich nach seinem Tod alle einig, die ihm persönlich und beruflich nahestanden.
Vielleicht wäre, wenn Fitzgerald die Zeit gehabt hätte, es zu vollenden, aus dem Buch ein ganz anderes geworden als das, welches sich aus den zahlreichen Versionen einzelner Teile und dem Berg von Notizen, die Fitzgerald hinterlassen hat, rekonstruieren ließ. Er hatte damit gerechnet, nicht kontinuierlich an diesem Roman arbeiten zu können, weil er mit Geschichten oder kleineren Drehbuchaufträgen Geld verdienen musste. Um trotz dieser Unterbrechungen seine Geschichte nicht aus dem Auge zu verlieren, schrieb er detaillierte Aufrisse und Gliederungen, die es ihm ermöglichen sollten, den Faden sofort wieder aufzunehmen, wenn er nach diesen Auftragsarbeiten zum Roman zurückkehrte. Deshalb lassen sich seine Pläne mit dem Buch recht genau nachvollziehen. Doch Fitzgerald war berühmt dafür, [226] bis zur Drucklegung und darüber hinaus immer weiter an seinen Texten zu arbeiten, zu kürzen, zu verwerfen, zu verändern. Seine Szenenentwürfe, Kapitelstrukturen, Figurenlisten, Plotideen, seine kurzen und langen Notizen, von denen er keine als endgültige Fassung markiert hatte, in die Form eines geschlossenen Romans zu gießen, ist daher ein kühnes Unternehmen. Zwei Männer haben sich daran gewagt, mit nicht ganz demselben Ergebnis.
Der eine, Edmund Wilson (1895 bis 1972), selbst Schriftsteller, einflussreicher Kritiker und ein naher Freund Fitzgeralds aus gemeinsamen Studententagen in Princeton, besaß die Kühnheit schon sehr bald nach Fitzgeralds Tod. Mit Max Perkins von Fitzgeralds Verlag Charles Scribner’s Sons war er sich einig, dass das unfertige Buch schnell veröffentlicht werden sollte, um Fitzgerald als Romanautor, als der er fast schon vergessen war, wieder ins Gedächtnis der Öffentlichkeit zu rufen. Allerdings sollte Die Liebe des letzten Tycoon nicht allein, sondern in einer Ausgabe mit dem Großen Gatsby und einigen Kurzgeschichten herauskommen, wie es dann im Oktober 1941 geschah. Wilson glättete dafür das Manuskript, fasste einzelne Episoden zu Kapiteln zusammen, überbrückte Auslassungen mit Material aus Fitzgeralds Notizen und numerierte das Ganze von eins bis siebzehn durch. Hinter diesen Fließtext stellte er die Skizzen für die folgenden Episoden, hängte eine Auswahl von weiteren Notizen, Entwürfen und Fragmenten an und schrieb, ohne umständlich auf seine Methodik einzugehen, ein warmherziges Vorwort dazu. Wilsons Gründe für dieses Vorgehen waren nichts als nobel – den Erben schnell ein wenig Geld zu beschaffen und dem Freund einen [227] besseren Ruf, als dieser ihn zum Zeitpunkt seines Todes genoss. Tatsächlich reagierten die Kritiker respektvoll, und das Buch wurde, wenn auch in kleiner Stückzahl, immer wieder aufgelegt.
Der andere, Matthew J. Bruccoli, hat fast sein ganzes Forscherleben F. Scott Fitzgerald gewidmet und sich als Herausgeber zahlreicher Bücher, Briefwechsel und vielem mehr und auch als sein sorgfältiger, liebevoller Biograph verdient gemacht. Seine Motive waren nicht in erster Linie persönlich, sondern wissenschaftlich. Er ging penibler vor als Wilson, und vielleicht liegt es daran, dass es bis 1993 dauerte, bis er die philologisch einwandfreie Kritische Ausgabe des Fragments veröffentlichen konnte. Sie schließt alle Vorarbeiten, eine große Anzahl von Faksimiles und Anmerkungen sowie die Dokumentation wesentlicher Schriftwechsel ein, aus denen sich Fitzgeralds Absichten mit diesem Buch zusammensetzen lassen, wie es Bruccoli in einem weitschweifigen Vorwort von fünfundneunzig Seiten tut. Auch ließ er es sich nicht nehmen, auf neunzehn Seiten alle Veränderungen aufzulisten, die Edmund Wilson an den nachgelassenen Entwürfen vorgenommen hatte. Bruccolis Fassung ist also fraglos präziser und treuer dem Manuskript gegenüber. Allerdings weniger leserfreundlich. Fitzgerald wollte ein Buch von etwa hundertachtzig Seiten schreiben. Bruccolis Ausgabe hat deutlich über vierhundert. Auf Kapitel 1 folgen die Episoden 4 und 5, und nach Episode 13 kommt Sektion 14 und ähnlich Verwirrendes
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