Die Liebe eines Klon
Was tut man nicht alles für seine beste, immer gestresste, Freundin, mit Familie und Laden am Hacken. Bei Lisa sah es ganz anders aus. Lisa war, wie Vera sich auszudrücken pflegte, im Begriff, mit Riesenschritten auf die Vierzig zu rennen. Was so viel hieß, wie, sie hatte die dreißig gerade überrollt. Und, dass Lisa diese Tatsache so überhaupt nicht nervös machte, konnte sie ganz und gar nicht begreifen. Kein Mann weit und breit, weder Verlobter, Freund, noch Geliebter in Sicht. „Und dabei siehst du wirklich nicht schlecht aus, und eine gute Figur hast du außerdem, nicht gerade die Modellgrößen, aber doch sehr ansprechend, wenn ich ein Mann wäre...!” Veras prüfende Blicke glitten dabei an Lisa herab. Bis jetzt hatte sie noch jede ihrer Freundinnen mehr oder weniger erfolgreich verkuppelt. Aber Lisa war ein schwierigerer Fall, sie hatte ein Bild von einem Mann im Kopf, den gab es gar nicht, soweit Vera wusste, und sie wusste allerhand. Lisa amüsierte sich jedes Mal köstlich, wenn sie mal wieder von ihrer Lieblingsfreundin, und außerdem einzigen Freundin, zum Essen eingeladen wurde. In kleiner Runde natürlich, nur ein Arbeitskollege von ihrem unbezahlbaren Rainer wäre noch anwesend, oder ein Nachbar, oder der neue so sympathische Briefträger, der letztes Jahr seine Frau verloren hatte, und nun mit zwei Kindern in unsere Stadt gezogen war, was für ein „Glück”! Sie war einfach unglaublich. Als Lisa die Ladentür aufschloss und die Glöckchen beim Öffnen bimmelten, wusste sie, dass sie glücklich und zufrieden war, mit ihrem ach so tristen Leben, wie Jemand Bestimmtes es zu nennen pflegte. Ja, es hätte anders verlaufen können, ganz anders, wenn..., ja, wenn was passierte wäre? Oder besser, wenn was nicht passiert wäre? Wenn ihre große Liebe nicht fremdgegangen wäre? Wenn sie ihm eine letzte Chance gegeben hätte? Wenn sie nicht immer noch fast täglich an ihn denken würde. Wenn er sie so sehr geliebt hätte, wie sie ihn! Ihre Gedanken waren mal wieder davon geschwommen, in eine Vergangenheit, die seit über zehn Jahren Vergangenheit war, und eigentlich viel zu kurz, um sie in so starker Erinnerung zu behalten. Allerdings wusste sie damals noch nicht, wie stark ihre Gefühle für ihn waren, und wie stark sie ihr späteres Leben beeinflussen würden. Vielleicht hätte sie ihm dann verzeihen können. Vielleicht, wenn, ... . Sie konnte es einfach nicht bleiben lassen, sich an diesen Worten fest zubeißen, manchmal kam es ihr wie ein Fluch vor, aber dann wieder wie ein Funken Hoffnung. Ein Zeichen des Himmels, - was für ein Blödsinn! Mit mehr Kraft als nötig stieß sie die Tür, in der sie gedankenverloren verharrt hatte, bis zum Anschlag auf, als wollte sie symbolisch Platz machen, für einen neuen Gedanken, einen neuen Tag, einen weiteren Tag ohne ihn. Den sie jedoch meistern würde, wie alle anderen davor auch schon. Die Zeitung und ein paar Rechnungen steckten im Briefkasten und das Schild musste aufgestellt werden. Es hatte zu regnen begonnen, und die Leute gingen noch etwas schneller als sonst, mit ihren verschieden farbigen Regenschirmen, die Lisa bewundernd betrachtete, eilig an ihr vorüber. Was für ein wunderbarer Job, fuhr es ihr in den Sinn, Regenschirm - Designer, da konnte man seinen Ideen freien Lauf lassen. Aber sie hatte wirklich keinen Grund zur Eifersucht. Auch sie konnte ihren Ideen freien Lauf lassen, und als Floristin nach Lust und Laune gestalten. Der Regen nieselte bereits zur Tür hinein, als sie wieder in den Laden trat. Keine Kundschaft in Sicht. Ihr Blick fiel auf die Sträuße, die sie gestern gebunden hatte. Nachdem sie die Stiele etlicher Bumenstängel nachgeschnitten, neues Wasser in die Vasen gefüllt, und etwas aufgeräumt hatte, setzte sie sich hinter den Tresen, gemütlich an einen kleinen Bistrotisch und schlug die Zeitung auf. Es versprach ein ruhiger Tag zu werden, bei Regenwetter war nie viel los, was ihr ganz Recht war. Sie würde sich nach dem Lesen der Zeitung, ihrer Lieblingsbeschäftigung zuwenden. Dem Entwerfen und Gestalten von Ikebana - Gestecken, eine aus Japan stammende Kunst, einzelne Blumen und Blüten leicht und zart in den unterschiedlichsten Schalen mit Moos und Zweigen, Steinen und ähnlichem zu arrangieren, einfach zauberhaft. Vera belächelte Lisas Begeisterung für diese Art von Gestecken. Doch den Kunden gefielen sie, und so unterstützte sie Lisa mit den notwendigen Materialien und ließ ihr die Zeit, die sie benötigte um sie
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