Die Liebe kommt auf leisen Pfoten
Für Gwen schien die Zeit still zu stehen und es kam ihr vor wie eine Ewigkeit, bis die Kutsche endlich auf dem Platz zum Stehen kam.
Einer der beiden Reiter ergriff das Wort: „Ich bitte Euch um Ruhe. Seine Majestät wird nun die Mädchen begutachten.“
Eine fast unerträgliche Stille hing über dem Platz. Keiner der Anwesenden wagte es über Minuten hinweg, ein Wort zu sprechen. Die beiden Reiter verfolgten alles ohne eine Miene zu verziehen. Für sie war es schließlich nichts Neues. Sie hatten das alles schon viele Male mitgemacht. Doch diesmal wurde es wieder ein bisschen spannender als sonst, denn wie es aussah, gefiel seiner Majestät eine der Frauen. Ein Raunen ging durch die Menge, als sich der Vorhang der Kutsche hob und eine Gestalt ins Freie trat. Gwen sah voller Neugier zum Prinzen, doch die Gerüchte bewahrheiteten sich auch dieses mal. Der Prinz hatte sein Gesicht verhüllt. Nur ein kleiner Schlitz um seine Augen war frei. „Von wegen groß und stattlich“, dachte Gwen bei sich, „der ist eher klein und zierlich. Und sein Gesicht wird er auch nicht ohne Grund verdecken“. Von ihr aus sollte er eine von den blöden Zicken auswählen. Das hätte sie dann von dem hochnäsigen Gehabe. Und so würde wenigstens das Dorf noch etwas zu Wohlstand gelangen.
Der Prinz blieb noch kurz vor seiner Kutsche stehen und sah sich alle an, dann ging er auf eine der beiden jüngeren Mädchen zu und blieb vor ihr stehen. Das Mädchen begann zuerst leicht zu zittern, dann konnte sie sich nicht mehr zurückhalten und die Tränen liefen ihr übers Gesicht. Der Prinz hob seine Hand und strich ihr damit leicht eine Strähne aus dem Gesicht. Dann beugte er sich vor und flüsterte ihr etwas ins Ohr, das nur sie hören konnte. Ihre Miene erhellte sich daraufhin und sie blickte ihn dankbar an. Anschließen drehte sich der Prinz wieder um und ging noch einmal langsam an allen anderen vorbei, wobei Gwen es vermied, ihm in die Augen zu schauen.
Der Prinz wandte sich dann dem ersten Reiter zu und dieser beugte sich vom Pferd aus zu ihm runter. Sie tauschten ein paar Sätze aus, die bei dem Reiter offenbar für Überraschung sorgten. Der Reiter wartete, bis der Prinz wieder in der Kutsche verschwunden war. Er nahm eine aufrechte Haltung ein und verkündete mit stolzer Brust: „Der Prinz hat seine Wahl getroffen.“
Nach dem ersten Erstaunen und manch Jubelrufen schauten nun alle zu dem Mädchen, mit dem der Prinz gesprochen hatte. Diese stand nun noch unsicherer da wie zuvor und sah hilfesuchend nach hinten zu ihren Eltern.
„Seine Wahl fällt auf die hier“, sagte der Reiter und zu Gwens Entsetzen blieb er mit seinem Pferd genau vor ihr stehen.
„Was?“, kamen ungläubige Rufe von den Umstehenden. „Das kann doch nicht sein?“
„Der Prinz hat gewählt“, wiederholte der Reiter noch einmal. „Ist das Eure Tochter?“, fragte er Gwens Vater. Dieser konnte nur langsam mit dem Kopf nicken. „Nutze den Abend heute noch, um Dich von Deiner Tochter zu verabschieden. Morgen, kurz nach Sonnenaufgang, wird sie mit uns kommen. Dann erhaltet Ihr auch den Rest der einhundert Goldstücke.“ Mit diesen Worten warf er dem Vater ein kleines Säckchen zu und während alle noch auf Gwen und ihre Familie starrten, verließ der Tross aus Reitern und Kutsche wieder das Dorf. Die allgemeine Erstarrung wurde erst durch einen dumpfen Schlag gelöst. Nun war ihre Stiefmutter tatsächlich in Ohnmacht gefallen. In dem nun ausgebrochenen Getümmel ging Gwen mit tauben, fast ferngesteuerten Schritten zu dem jungen Mädchen und fragte sie, was der Prinz zu ihr gesagt hatte. „Er hat gemeint“, sagte das Mädchen, „dass ich mir keine Sorgen machen soll. Dass ich noch viel zu jung wäre, um mich von meinen Eltern wegzureißen. Dann hat er mir noch das hier heimlich in die Hand gedrückt.“ Sie streckte Gwen drei Goldmünzen hin. „Damit sind unsere größten Sorgen erst einmal gelöst. Ich bin ja so froh, dass ich bei meinen Eltern bleiben darf.“ Das Mädchen umarmte Gwen vor Freude, doch dann löste sie sich gleich wieder, als ihr bewusst, wurde, wen sie da umarmte. „Ähm, entschuldige“, sagte sie dann schnell und sah beschämt zu Boden.
„Ist schon gut“, antwortet Gwen wie benommen, „es kommt, wie es kommen soll.“
„Wie wahr“, stimmte ihre Großmutter zu, die plötzlich neben ihr stand. Sie nahm Gwen bei der Hand und ging mit ihr zum Hof zurück.
Gwen fühlte sich wie betäubt. Alles um sie herum verschwamm. Sie
Weitere Kostenlose Bücher