Die Liebe kommt auf leisen Pfoten
Stiefmutter.
„Weil ich zugeben muss, dass die Aussicht, mir den Rest meines Lebens den Rücken krumm schaffen zu müssen, doch nicht so verlockend ist. Und es doch viel schöner wäre, wenn man Zeit für die schönen Dinge des Lebens hätte. Und dass Du wahrscheinlich recht hast. Dass es ganz egal ist, wie der Prinz aussieht, weil ich ihn wahrscheinlich eh nicht oft zu sehen bekommen werde. Er wird doch sicher ständig jagen gehen oder Krieg spielen oder sonst was machen.“
„Das freut mich, dass Du doch noch zur Vernunft gekommen bist“, sagte ihre Stiefmutter, wobei Gwen sich nicht sicher war, ob die andere ihr wirklich glaubte, was sie sagte. Aber das war ihr in diesem Moment egal. Sie ließ weiter alles über sich ergehen, was ihrer Stiefmutter alles einfiel, um sie noch schöner wirken zu lassen. Irgendwann erkannte sie sich fast nicht wieder und sie wäre am liebsten schreiend weggerannt.
In diesem Moment kam ihre Großmutter in die Stube. „Mein Kind, Du siehst aber zauberhaft aus.“
„Findest Du wirklich?“ Gwen fiel zu ihrem Aussehen so einiges ein, nur nicht das Wort zauberhaft.
„Also, ich bin schwer beeindruckt“, sagte eine Stimme hinter ihrer Großmutter. „Kaum zu glauben, was andere Kleidung und eine andere Frisur ausmachen. Ich hätte Euch kaum wieder erkannt.“ Gwen kippte fast von dem Stuhl, auf dem sie saß. Da stand plötzlich Myria im Raum und grinste sie über beide Backen an.
„Muss das denn sein“, schimpfte Gwens Stiefmutter, „wir sind beschäftigt.“
„Myria kam vorbei, um ihre Verletzung von mir anschauen zu lassen“, ignorierte die Großmutter Klaras Worte einfach. „Ich dachte mir, dass Du sie sicher auch sehen wolltest“, wandte sie sich an Gwen.
„Ja, natürlich.“ Gwen versuchte sich zu sammeln. „Schön, dass Ihr noch einmal hergekommen seid.“
„Wie ich sehe, seid Ihr schwer beschäftigt“, grinste Myria noch immer, „es ist auch ein großer Tag heute.“
„Ihr wisst von dem Prinzen?“ Gwen hätte am liebsten an Ort und Stelle die ganzen Klamotten wieder ausgezogen. Sie kam sich lächerlich vor in diesem Spitzenkleid, noch dazu mit ihrer Hochsteckfrisur.
„Wie könnte ich nicht davon wissen. Das ganze Dorf spricht von nichts anderem. Deshalb möchte ich auch nicht länger stören. Ich wünsche Euch alles Gute und viel Glück für später.“
„Danke“, antwortete Gwen, wobei Myria jedoch nicht der traurige Blick entging, der Gwens Worte begleitete. „Werdet Ihr nachher auch noch da sein, wenn der Prinz kommt?“
„Leider nicht, ich werde jetzt direkt im Anschluss aufbrechen. Deshalb wollte ich mich noch einmal für Eure Hilfe bedanken.“
„Sehe ich Euch je noch einmal wieder?“ Gwen war es egal, was die anderen bei dieser Frage dachten.
„Ich weiß es nicht. Manchmal schlägt das Leben überraschende Wege ein. Es ist also alles möglich.“ Bei diesem Satz blieb Myria mit ihren Worten an Gwens Großmutter hängen. Und auch dieses Mal musste sie ihren Blick von der Frau abwenden, weil es ihr vorkam, als würde die alte Frau direkt in sie hinein sehen. „Ich muss jetzt gehen, danke für Alles.“ Genauso schnell wie sie gekommen war, war Myria auch schon wieder verschwunden.
„Sind wir fertig?“, fragte Gwen in nicht mehr ganz so freundlichem Ton ihre Stiefmutter.
„Ja, sind wir. Aber sei vorsichtig, dass Du nicht alles wieder ruinierst. Also bitte jetzt nicht aufs Feld gehen und Kartoffeln ernten.“ Gwen antwortete gar nicht mehr darauf, sondern teilte lediglich mit: „Wenn ihr mich sucht, ich bin auf meinem Zimmer.“
Es dauerte nicht lange, da hörte Gwen in ihrem Zimmer, wie es draußen im Dorf langsam unruhig wurde. Die Nachricht verbreitete sich, dass der Prinz jeden Moment eintreffen würde und dass die Mädchen sich auf dem Dorfplatz versammeln sollten. „Ich bin gleich soweit“, sagte Gwen zu ihrem Vater und ihrer Stiefmutter und schloss wieder die Tür ihres Zimmers.
Mit klopfendem Herzen holte sie unter ihrem Bett die große Schere hervor, die sie noch vor dem Frühstück in ihrem Zimmer versteckt hatte. Zuerst löste sie die ganzen Bänder und Klammern aus ihrem Haar, damit es wieder frei über ihre Schultern fiel. Dann holte sie noch einmal tief Luft und sagte: „Du würdest es sicher verstehen, Mama.“ Anfangs schnitt sie vorsichtig, doch je mehr Haare auf dem Boden landeten, desto sicherer wurde sie. Da sie keinen Spiegel im Zimmer hatte, konnte sie nur erahnen, wie ihre Frisur aussah, als sie
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