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Die lieben Patienten!

Die lieben Patienten!

Titel: Die lieben Patienten! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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man sie langsam zu hassen beginnt. Nein.«
    »Du bevorzugst also das Telefon und die Türklingel, die gestörte Nachtruhe und die Klagen der Patienten, den Mangel an Privatleben und Ruhe, die Kinder und die endlose Folge von Miss Wiederkehrs und Marias...«
    »... und die blutigen Unfälle, die immer dann passieren, wenn du nicht da bist, und die Urinflaschen, die den Dielentisch zieren, und die Art, wie die Patienten es an mir auslassen, wenn du nicht im Augenblick erreichbar bist...«
    »... und die Berge von Prospekten, die das Haus überfluten, und die Arzneimittelvertreter, die sich die Tür in die Hand drücken...«
    »... und die Spezialärzte, wenn gerade Hausputz ist und man keinen Platz hat, um sie zu empfangen, und die kranken Babys im Wartezimmer...«
    »Nun?«
    »Ja«, sagte Sylvia fest. »Ich bevorzuge es.«
    »Ich möchte wissen, warum?«
    Sylvia blickte mich an. »Weil ich dich liebe, und weil das alles ein Teil von dir ist.«
    »Sogar Mrs. Bridgewaters Venen?« fragte ich, da diese inzwischen zu einer ständigen Redensart bei uns geworden waren.
    Sylvia nickte. »Sogar Mrs. Bridgewaters Venen. Du bist jetzt zu lange dabei und könntest dich nicht mehr ändern.«
    »Ich glaube auch nicht, daß ich es möchte, jetzt, wo ich Robin zur Hilfe habe.«
    »Du könntest es auch sonst nicht, dazu ist es zu spät.«
    »Wenn du Wilfried geheiratet hättest«, fuhr ich, an Sylvias früheren Verlobten denkend, fort, »dann wärest du nicht manchmal so müde, daß du dich am Abend kaum noch auf den Beinen halten kannst.«
    »Ich bin sehr viel lieber müde von der Hilfe bei Masern und Mumps, bei zerschlagenen Köpfen und gebrochenen Beinen, bei Insektenstichen und Fehlgeburten in der Nacht und hysterischen Anfällen am Tag, als daß ich mich von Ascot und Wimbledon und Reisen von Schottland nach Monte Carlo und von Monte Carlo nach Schottland ermüden lasse.«
    »In diesem Fall«, erklärte ich, »fühle ich mich genötigt, dich zu küssen.«
    »So schlampig, wie ich bin?«
    »Habe ich was von schlampig gesagt?«
    »Du hast gesagt, daß ich mich geändert hätte.«
    »Die Änderung ist zu deinen Gunsten ausgefallen.«
    Als ich sie wieder freigab, verkündete Sylvia: »Jetzt werde ich Faraday anrufen. Wo wird er sein?«
    »In seiner Praxis. Er wollte heute einen meiner Patienten untersuchen. Sei taktvoll, Sylvia...« Aber Sylvia war schon gegangen.
    Als sie zurückkam, sah sie verdrießlich aus.
    »Wie war’s mit der Untergrundarbeit?« fragte ich.
    »Ich konnte ihn überhaupt nicht zu dem Thema bringen. Er redete nur über die Behandlung eines Hydrozephalus, an dem er gerade arbeitete.«
    »Hat er irgend etwas über die Patientin gesagt, die ich ihm geschickt habe?«
    »Ja. Sie war schon vor einer halben Stunde bestellt, ist aber noch nicht erschienen.«
    »Komisch, das sieht Mrs. Rowbottom gar nicht ähnlich.«
    Aber ich hatte keine Zeit mehr, mich noch länger über Mrs. Rowbottoms nicht eingehaltene Verabredung bei Faraday zu wundern, denn gerade in diesem Augenblick wurde dringend an die Tür des Kaminzimmers geklopft, und die Arbeit vertrieb wieder einmal die häuslichen Probleme aus meinem Kopf. Es war Robin. Es sei ein dringender Anruf gekommen, berichtete er, von
    Mrs. MacConnal, und ob er gehen solle? Ich sagte, daß ich selbst gehen würde, da ich sie immer behandelt hätte, und sofort waren alle Gedanken an Carolines tragische Romanze zusammen mit einer Menge anderer unwichtiger Dinge aus meinem Kopf verschwunden.
    Es sah Mrs. MacConnal gar nicht ähnlich, mich während des Tages zu rufen. Als ich jedoch in der verdreckten Wohnung ankam, sah ich, daß es ihr schlechter als sonst ging.
    Ich fand die Kinder halb angekleidet beim Murmelspiel auf dem Fußboden des Schlafzimmers, MacConnal starrte faul aus dem Fenster und wartete sicher darauf, daß die Kneipen öffnen würden. Die Luft war wie üblich schwer von unzähligen widerlichen Gerüchen, und Mrs. MacConnal saß in ihrem Bett und kämpfte um ihr Leben. Der Unterschied war, daß es diesmal nicht danach aussah, daß sie gewinnen würde.
    Sie war so grau wie ihre zerissenen Bettlaken, hatte eiskalte Glieder und die klebrige Feuchtigkeit des Todes auf ihrer Haut. Mein Stethoskop, das den hastigen, röchelnden Atem wiedergab, bestätigte meinen ersten Eindruck. Ihr Brustkorb war mit Flüssigkeit gefüllt, so daß ich diesmal kaum hoffen konnte, sie vorm Ersticken zu retten.
    Ich gab ihr etwas Morphium und rief MacConnal zu, mir aus meinem Wagen den

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