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Die lieben Patienten!

Die lieben Patienten!

Titel: Die lieben Patienten! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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im Zoo saß, während wir die Zwillinge beobachteten, die aufgeregt ihr Brot an die Antilopen verfütterten, fragte ich: »Ist dir eigentlich klar, daß wir uns im Augenblick wie normale Menschen benehmen?«
    »Wie meinst du das?«
    »Wie lange ist es schon her, daß wir so mit den Kindern ausgegangen sind?«
    Sylvia dachte nach. »Ich kann mich nicht erinnern.«
    »Ich auch nicht.«
    Natürlich war das alles Robin zu verdanken, der sich als ungeheurer Aktivposten für die Praxis erwiesen hatte. Ich fühlte, daß mir eine kaum mehr tragbare Last von den Schultern genommen war, und ich hatte allen Grund, mir selbst wegen der Wahl dieses Assistenten zu danken. Es gab Arbeit genug, um uns beide beschäftigt zu halten, und Robin konnte nicht begreifen, wie ich früher allein damit zurechtgekommen war. Jetzt verstand ich das selbst kaum mehr. Nachdem ich jetzt ein wenig zur Ruhe gekommen war und meine Arbeit sich im normalen Tempo abspielte, konnte ich mir kaum mehr vorstellen, daß ich mich bis in diesen lächerlichen Zustand hineingearbeitet hatte, in dem ich niemals ging, wenn ich laufen konnte, niemals drei Worte gebrauchte, wenn es mit zweien zu erledigen war, und die Patienten, die in meine Sprechstunde kamen, ohne Absicht in zitternde Gestalten verwandelte, denen ich dann wahrscheinlich Beruhigungsmittel verschrieb. Jetzt, da ich jemanden hatte, der mir half, konnte ich die Patienten frei reden lassen und war imstande, ihnen zuzuhören, ohne daß mich das allzu vertraute Gefühl fast untragbarer Gereiztheit überwältigte, wenn ich das vollgestopfte Wartezimmer vor mir sah. Nicht länger mehr wurde ich fast hysterisch, wenn die Leute noch drei Minuten vor Beendigung der Sprechstunde hereinströmten. Und vor allem entdeckte ich durch Zuhören höchst erstaunliche Dinge an meinen Patienten, die aus ihnen herauszuholen ich früher einfach keine Zeit gehabt hatte. Nur bei den Mahlzeiten blieb die alte Regel, kraft eingebürgerter Gewohnheit, bestehen. Als Haushaltsvorstand, der ich nun einmal war, wurde ich zuerst bedient. Wenn Sylvia, Caroline und die Kinder ihre Gabeln aufnahmen, um zu beginnen, saß ich schon vor dem leeren Teller. Obwohl ich es versuchte, war es mir unmöglich, langsamer zu essen; und ebensowenig hatte ich die Geduld, sitzen zu bleiben und den restlichen Familienmitgliedern zuzusehen, wenn sie, wie es mir vorkam, mit unendlicher Trägheit die Speisen vom Teller zum Mund beförderten. Es gab keine gesellschaftlich annehmbare Lösung für dieses Mißverhältnis. So saß ich da und starrte, je nach Laune, vor mich hin, führte einige Telefongespräche, las die Zeitung oder bat darum, daß ich den Nachtisch vorweg gebracht bekam. In der Praxis baute sich Robin langsam seinen eigenen Klientenstamm auf. Zuerst hatten einige Patienten sich eingebildet, daß wir gegnerische Organisationen seien, und mir beschämt gestanden, daß sie Robin während meiner Abwesenheit konsultiert hätten. Aber es hatte nicht lange gedauert, bis die neue Einrichtung ihre Kinderkrankheiten überwunden hatte. Man kannte Robins Gesicht jetzt im Wartezimmer und an der Tür, und die Patienten waren dankbar, daß sie nicht mehr ungebührlich lange warten mußten. Während meiner neu eingerichteten Ruhestunden gewöhnten sich sogar meine regelmäßigsten Stammkunden daran, ihre Beschwerden Robin vorzutragen, und viele von ihnen erklärten, daß ich töricht gewesen sei, meine Last nicht schon vorher zu teilen. Sicher machten sie es sich nicht klar, daß ich außer meiner Last jetzt auch einen großen Teil meines Einkommens teilte, aber ich wollte es nicht mehr anders haben.
    »So muß das Leben sein!« sagte ich, als ein Windstoß, der direkt vom Nagetierhaus herüberblies, mich daran erinnerte, wo ich war.
    »Nun sieh dir nur einmal Peters Socken an«, seufzte Sylvia.
    »Was ist denn damit?«
    »Sie kringeln sich über seinen Schuhen.«
    »Was meinst du denn, wo sich die Socken eines kleinen Jungen sonst kringeln sollten?«
    »Und Pennys Gesicht! Sie klappert mit ihrer Hand am Gitter entlang und wischt sich dann durchs Gesicht.«
    »Hauptsache, sie sind glücklich.« Ich beobachtete, wie sie ein wenig furchtsam ihre Handflächen mit Brotstücken vor die schnuppernden Schnauzen der Antilopen hielten. »Und ich bin es auch.«
    Und es stimmte. Es war der erste Sonntagnachmittag in unserer Ehe, den ich damit verbrachte, einmal nichts weiter als ein »Daddy« zu sein, und nichts ließ sich damit vergleichen. Wir verweilten in dem

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