Die Liebenden von Sotschi
Generalskollegen vom GRU. »Was passiert nun?«
»Die Maschine wird in München landen.« Ussatjuk füllte Wein in die Gläser.
»Beschämend! Stellen Sie sich dieses geile Hurra-Geschrei in der westlichen Presse vor! Sowjetische Maschine entführt! Wie man das politisch ausschlachten wird! Und jede Lüge dieses verfluchten Kerls wird man glauben. Die Journalisten werden wieder Gift verspritzen und die Weltöffentlichkeit gegen uns aufputschen, und wieder einmal wird die Sowjetunion der Feind der Freiheit und des Friedens sein! Es ist zum Kotzen! Sulfi Iwanowitsch, warum grinsen Sie? Was erheitert Sie so?!«
»Unsere Botschaft in Bonn ist bereits alarmiert. Sie wird die Auslieferung von Bubrow verlangen, falls er wirklich in München landet. Aber wir werden alles daransetzen, daß die Maschine in München keine Landeerlaubnis erhält. Wir würden das als unfreundlichen Akt bezeichnen, der die Beziehungen zwischen unseren Völkern trübt. Wir werden mit aller Schärfe intervenieren.«
»Sehr gut! Dann wird Bubrow so lange in der Luft herumirren, bis das Benzin ausgeht und er notlanden muß. In einem uns befreundeten Staat?«
»Dazu wird es nie kommen«, sagte Ussatjuk freundlich.
»Und warum nicht?«
»Die deutschen Behörden werden ihn landen lassen, das ist sicher. Er will nach München, also läßt man ihn kommen. Er wird Schwierigkeiten mit der Justiz kriegen, aber Auslieferung braucht er nicht zu befürchten. Der ach so humane Westen wird ihn aufnehmen.«
»Und das sagen Sie so ruhig, Sulfi Iwanowitsch? Und Sie, Victor Borissowitsch, was sagen Sie?«
General Butajew blickte an Nasarow vorbei auf die Wand, wo eine Reproduktion des berühmten Gemäldes ›Lenin spricht zu den Arbeitern‹ hing.
»Bubrow soll von mir aus in München die Erde küssen«, sagte er.
»Blamabel!« rief Nasarow entsetzt.
»Wir werden einen Proteststurm entfachen«, sagte Ussatjuk ernst. »Und je mehr Aufsehen das macht – um so besser.«
»Das verstehe ich nicht.« Nasarow sah die anderen hilflos an. »Bin ich zu dumm dazu?«
»Lassen wir ihn erst in München landen.« Ussatjuk winkte ab und verteilte neue Papyrossi. »Es kommt viel darauf an, wie die deutschen Behörden reagieren und wie sich Bubrow benimmt. Jedenfalls ist das eine interessante Sache.« General Nasarow verstand überhaupt nichts mehr. Er rauchte und trank und unterdrückte seinen vaterländischen Ärger.
Die Iljuschin landete um 15.19 Uhr auf dem Flugplatz München-Riem.
Für alle, die das Aufsetzen beobachteten, war es ein normaler Flug, aber im Tower war man doch sichtlich gespannt; man hatte den Luftraum für eine Viertelstunde gesperrt und gab ihn erst wieder frei, als die Maschine auf der Erde war.
Sie wurde sofort von der Piste genommen und in einen abgelegenen Teil des Flughafens dirigiert, erst hinter den langgestreckten Cargo-Hallen ließ man sie ausrollen. Eine Kompanie Bundesgrenzschutz hatte diesen Bezirk hermetisch abgesperrt. Eine Autokolonne wartete, als sei gerade ein Staatsgast gelandet.
Drei Vertreter der bayrischen Staatsregierung waren erschienen, dazu der Polizeipräsident von München mit einigen Kriminalbeamten, der Leiter des politischen Kommissariats, der Flughafen-Chef, Beamte des Militärischen Abschirmdienstes MAD und des Bundesnachrichtendienstes BND. Sogar ein Klinomobil und drei Feuerlöschwagen mit zwei Ärzten. Ein großer Aufwand – aber schließlich war es das erste nach München entführte sowjetische Flugzeug, und man wußte nicht, ob sowjetische Piraten anders reagieren als normale Entführer. Man rechnete mit allem.
Flugkapitän Kaschlew schaltete die Instrumente ab. Der Chefsteward erklärte den verwunderten Passagieren, sie möchten bitte sitzenbleiben. Man sei nicht in Prag gelandet, sondern in München. Man habe sich nicht verflogen, sondern habe nach internationalen Regeln ausweichen müssen. Der Flug nach Prag werde mit einiger Verzögerung stattfinden. Man bitte um Verständnis.
Die sowjetischen Passagiere nahmen die Erklärung diszipliniert hin. Nur ein Engländer verlangte nähere Informationen; man überhörte ihn mit russischer Geduld, bis er seinen Protest aufgab.
»München!« sagte Kaschlew und schielte auf Bubrows Pistole. »Sie haben Ihren Wunsch erfüllt bekommen, Boris Alexandrowitsch. Nun verlassen Sie umgehend mein Flugzeug, ehe ich doch noch zum Helden werde! Mich können Sie erschießen, aber 178 Menschen sind jetzt sicher. Raus mit Ihnen, Sie Saustück!«
»Warum so aufgeregt, Oleg
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