Die Liebenden von Sotschi
billiger gewesen!«
»Sagen Sie das Moskau! Man hat mir eine Flugkarte verweigert. Aber ich bin Individualist. Wenn ich nach München will, dann komme ich auch nach München. Sie sehen es ja.«
Die Verbindung brach ab, die Jäger kippten seitwärts weg und verschwanden in der Tiefe.
Kaschlew grinste Bubrow an. »Sie haben sie erschreckt. Das soll einer auch verstehen. Warum wollte man Sie denn nicht hinauslassen, Boris Alexandrowitsch?«
»Weil ich Flüsse reguliere, und das soll angeblich ein Geheimnis sein. Dabei wird das Ergebnis meiner Arbeit in alle Karten eingezeichnet.«
»Wir nähern uns der deutschen Grenze«, sagte Watlow ernst. »Sollen wir eine Schleife fliegen, damit Sie sich's noch einmal überlegen können, Boris Alexandrowitsch?«
»Sie sind ein lieber, aber blöder Junge, Juri Nikolajewitsch.« Bubrow lehnte sich gegen die Tür des Cockpits. »Was geschieht mit mir, wenn ich umkehre? Na? Ihr schweigt! Also, es gibt jetzt nur noch ein Vorwärts! Behaltet Kurs München bei, Genossen.«
Die erste vage Meldung, die der Tower in Prag aufgenommen hatte, war zunächst auf Skepsis gestoßen. Jedenfalls so lange, bis Kapitän Kaschlew mit unüberhörbarer Erregung gesagt hatte: »Begreift ihr denn nicht? Wir werden entführt! Kidnapping! Er hat eine Pistole und eine Handgranate und droht, uns in die Luft zu sprengen! Verdammt, das ist kein fauler Witz! Er steht hinter uns. Ich habe den Lauf im Genick! Er verlangt Kurs München. Ja, München. Warum? Vielleicht will er zum Oktoberfest, was weiß ich! Ich erwarte Order, sofort!«
Was nach diesen Worten anlief, war eine gigantische Operation, die halb Europa einspannte. Die Regierung in Prag wurde alarmiert, das Kriegsministerium entsandte zwei Spezialisten in den Tower, im Moskauer Kreml bildete sich ein Einsatzstab, dem das KGB { * } ebenso angehörte wie das GRU, die militärische Spionagezentrale. Der Generalstab schickte einen Vertreter, das Direktorium der Aeroflot erschien vollzählig, in Prag wurde die Luftwaffe alarmiert, deren Kommandeur ständigen Kontakt mit dem Befehlshaber der Warschauer-Pakt-Truppen hielt.
Eine sowjetische Verkehrsmaschine wird entführt? Und noch dazu von einem sowjetischen Bürger? Ohne Angabe von Gründen? So etwas darf einfach nicht sein! Kurs München? Ein Dissident? Wie heißt er? Bubrow? Unbekannt. Sicher auch völlig unbedeutend. Muß ein Irrer sein.
Luftflotten-General Janik Trebic gab zunächst den Befehl, vier Jäger aufsteigen zu lassen. Er tat es auf eigene Verantwortung, denn aus Moskau kam auf alle Anfragen nur hinhaltende Antwort. Noch befand sich die Iljuschin über tschechischem Gebiet, aber sie hatte einen anormalen Kurs genommen: von Prag weg zur deutschen Grenze, dann die Grenze entlang wieder in Richtung Prag, dann in einem weiten Bogen auf Pilsen zu und über das Egerland hinweg – was Kapitän Kaschlew da machte, war ein gefährliches Spiel. Keiner wußte, wie der Luftpirat reagieren würde, wenn er diese Tricks durchschaute.
In Moskau hatte man es merkwürdigerweise nicht eilig. Der Sonderstab brauchte mindestens drei Stunden, bis er vollzählig war; bis dahin dürfte die Maschine längst in München gelandet sein. Kapitän Kaschlew konnte seine Täuschung nicht endlos ausdehnen. Immerhin: Im Büro von Oberst Sulfi Iwanowitsch Ussatjuk vom KGB, Abteilung II, trafen sich der General im GRU Victor Borissowitsch Butajew und General Leonid Simonowitsch Nasarow vom Führungsstab der sowjetischen Streitkräfte. Oberst Ussatjuk hatte sie eingeladen, was an sich schon ungewöhnlich war. Noch erstaunlicher war, daß man bereits bei Papyrossi und einem Glas Krimwein zusammensaß, als die Iljuschin noch gar nicht entführt worden war, sondern noch friedlich unter sowjetischem Himmel dahinzog.
Die Nachricht von der Piraterie traf bei Ussatjuk ein, als man gerade über die Iranpolitik der USA schimpfte und den weiteren Ausbau Kubas als sowjetischer Vorposten für dringend erforderlich hielt. General Nasarow war entsetzt und bekam einen roten Kopf.
»Fängt das jetzt auch bei uns an?« sagte er erregt. »Flugzeugentführungen! Da werden wir ein Exempel statuieren. Todesstrafe für jeden Luftpiraten!«
»Man muß ihn erst haben«, sagte Oberst Ussatjuk. Er lächelte, was Nasarow in dieser Situation völlig unpassend erschien.
»Man sollte sie auch in Abwesenheit verurteilen! Wer ist der Halunke?!«
»Ein Boris Alexandrowitsch Bubrow. Wasserbau-Ingenieur.«
»Und?« Nasarow wandte sich an seinen
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