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Die Liebenden von Sotschi

Die Liebenden von Sotschi

Titel: Die Liebenden von Sotschi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wissen, wer er war.
    »Sind Sie Soldat?« fragte der Beamte.
    »Ich war es. Fallschirmjäger.«
    »Offizier?«
    »Nein. Dann wäre ich dabeigeblieben. Das Ingenieur-Studium war mir wichtiger.«
    »Und warum haben Sie das Flugzeug entführt?«
    »Ich bekam keine Ausreisegenehmigung in die Bundesrepublik.«
    »Und weshalb wollten Sie unbedingt hierher? Werden Sie in Ihrem Land politisch verfolgt?«
    »Aber nein!«
    »Religiöse Gründe?«
    »Auch nicht. – Ich liebe eine Frau.«
    »Was tun Sie?« fragte der MAD-Mann ungläubig.
    »Ich liebe eine Frau. Sie wohnt in der Nähe von München.«
    »Und deshalb entführen Sie eine Verkehrsmaschine mit 179 Passagieren?«
    »Ich wäre sonst nie nach München gekommen.«
    »Oh, Mann!« Der MAD-Beamte starrte Bubrow betroffen an. »Das wird für Sie eine teure Sache – wenn das stimmt! Ist Ihnen das klar?«
    »Ich habe nie darüber nachgedacht«, sagte Bubrow. Man sah ihm an, daß er erleichtert und glücklich war. »Ich bin in München. Das allein ist wichtig. Was später kommt – damit werden wir auch fertig. Einen sibirischen Fluß zu regulieren ist schwieriger.«
    Der MAD-Mann verzichtete auf eine Bemerkung und hob nur die Schultern. Entweder ist er wirklich ein Spinner, dachte er, oder ein ganz hartes Ei. Man wird sehen. Aus den Augen lassen wir den nicht.
    Das erste Verhör in einem abgesperrten Zimmer des Flughafens verlief enttäuschend für den, der eine Sensation erwartet hatte. Ein Überläufer vom KGB? Kein Geheimnisträger? Ein bedeutender Wissenschaftler, ein hoher Offizier, ein Spezialist für Atomfragen oder Elektronik? Nichts dergleichen. Gar nichts.
    Da saß in dem Ledersessel ein sportlicher, blondhaariger Mann mit grauen Augen, gab an, 35 Jahre alt und von Beruf Wasserbau-Ingenieur zu sein, Mitglied der kommunistischen Partei, einmal ausgezeichnet mit dem Ehrentitel ›Verdienter Techniker der Russischen Föderation‹, ledig, gutes Einkommen, perfekt in Deutsch und Englisch, in Französisch einigermaßen – ein Sowjetmensch, der keinerlei Grund hatte, seine Heimat mit solch einem Paukenschlag zu verlassen.
    Die Herren aller beteiligten Behörden waren konsterniert, auch wenn sie es nicht zeigten. Der große Fisch war nicht einmal eine Sardine. Das einzig Dramatische war die Entführung gewesen. Aber auch sie hatte sich offenbar im Plauderton vollzogen, höflich, mit Entschuldigungen für die Unannehmlichkeiten, die er bereiten mußte. Da hatte man anderes erlebt – man brauchte nur an Mogadischu zu denken oder an die Sprengung der Lufthansa-Maschine in der Wüste. Dieser Russe gab Rätsel auf.
    »Sie bleiben also dabei, daß Sie nur wegen einer Frau das Flugzeug umdirigiert haben?« Der verhörende Kommissar des politischen Kommissariats vermied das Wort ›Entführung‹. Die Begriffe verwischten sich hier. Niemand war entführt worden, um etwas zu erpressen, es hatte auch keine Geisel im üblichen Sinne gegeben, die Iljuschin war mittlerweile in Prag gelandet, und alle waren wohlbehalten. Dennoch war etwas höchst Absonderliches geschehen: Ein Mann wollte zu einer Frau, die er liebte, und da man ihm keine Ausreiseerlaubnis erteilte, kidnappte er ein Flugzeug.
    Ein Flüchtling aus Liebe. Davon würden Zeitungen und Illustrierte ein paar Wochen leben können. Aber politisch gab der Vorfall, abgesehen davon, daß ein Sowjetmensch den Eisernen Vorhang durchbrochen hatte, nichts her.
    Bubrow nickte geduldig. Immer die gleichen Fragen. Das ist der Trick aller Verhörenden: einförmig auf einen einzuhämmern in der Hoffnung, daß man die Nerven verliert und mehr sagt, als man wollte. Das ist überall die gleiche Methode, ob in Rußland oder in Deutschland.
    »Ja!« sagte er höflich. »Wegen einer Frau. Ich weiß, daß es schwer ist, das zu glauben. Ich kann Ihren Argwohn begreifen. Aber ich kann Ihnen nichts anderes gestehen: Ich habe das Flugzeug wegen einer Frau nach München umdirigiert. Wir haben uns im vorigen Sommer in Sotschi kennengelernt. Waren Sie schon mal in Sotschi?«
    Es zeigte sich, daß keiner der Herren die Schönheiten Sotschis kannte. Bubrow setzte schon an, um das Paradies am Schwarzen Meer zu schildern, aber der Kommissar winkte ab.
    »Sagen Sie uns den Namen der Dame?«
    »Warum nicht?« Bubrow lachte jungenhaft. »Ohne sie wäre das alles nicht passiert. Ich möchte Sie auch bitten, mich so schnell wie möglich zu ihr fahren zu lassen.« Er klopfte auf seine ausgebeulte Jackentasche. »Ich habe zweitausend Deutsche Mark mitgebracht.

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