Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition)

Anhänger dieser Geheimsekte?«
    Poch nickte vage. »Zumindest ist das bei dieser Symbolik nicht ausgeschlossen. Die Welt zu Boschs Zeiten war grausam. Im 15. Jahrhundert brachen immer wieder die Pest und andere schreckliche Krankheiten aus. Krieg, Fehden und Pogrome waren an der Tagesordnung. Feudalherren konnten sich gegenüber Bauern alles erlauben. Das Leben war für die meisten eher ein Überleben. Die Kirche war notorisch korrupt. Die Situation war nicht neu, doch gegenüber dem 12. und 13. Jahrhundert wurde es im 14. und 15. Jahrhundert noch schlimmer. Menschen suchten also verständlicherweise die Gründe für all dieses Unheil gern im Bereich der Dämonen und Teufel. Es war eine zutiefst negative, von ständiger Angst erfüllte Weltsicht.«
    Jan fügte hinzu: »Ähnlich wie sie heute in der postmodernen westlichen Welt herrscht.«
    »Ja, das ist durchaus vergleichbar. Die offiziellen Kirchen verlieren immer mehr an Glaubwürdigkeit und Deutungshoheit, der Kapitalismus hat schon mehrfach seine dunkle Seite gezeigt und taugt nicht als spirituelle Kraft. Da suchen viele nach neuen Glaubensformen. Suchen Sie nach …«
    »Ich hab’s«, kam es vom Schreibtisch. Regina las vor: »Die Vereinigung der absoluten Liebe. Ihre Seite strotzt nur so von Bosch-Bildern.«
    Poch warf seinen massigen Körper nach vorn und wuchtetesich aus dem Sofa. Er knipste einen großen Fernseher an, wackelte zu Regina, murmelte »Verzeihung« und tippte auf der Tastatur des Laptops. Regina roch sein scharfes Parfum, als sie im nächsten Moment die Internetseite der Sekte direkt auf dem Fernseher sah.
    »Das ist der Bosch-Orden. Er war in den 90ern sehr bekannt und berüchtigt. Sektenforscher warnten immer schon davor. Kopf der Gruppe ist diese Prophetin, die auch in letzter Zeit im Fernsehen zu sehen war. Sie heißt … warten Sie … da ist es: Birghid. Ich habe kürzlich einen Artikel dazu gelesen. Warten Sie. Ich finde ihn.« Poch blickte auf und wandte sich an Regina: »Werteste, wenn es Ihrem feministischen Weltbild nicht zu sehr entgegenläuft, würde ich mich freuen, wenn Sie uns in der Küche einen Tee und vielleicht ein paar Leckereien zubereiten würden.«
    Jan sah sie flehentlich an. Widerwillig, aber ohne jeden Kommentar stapfte Regina in die Küche. Ivan Poch kramte auf seinem Schreibtisch, ehe er den Artikel fand, wieder umständlich nach einer Brille suchte und sich erst dann erschöpft in einen Sessel warf. Regina hatte ein Tablett auf den Tisch gestellt und wollte sich gerade Tee in ihre Tasse gießen, als Poch sie erstaunt ansah und vorwurfsvoll nach Zucker fragte. Regina verdrehte die Augen, verschwand aber. Poch las und fasste dann zusammen. Umständlich, fand Jan. Aber er schob es auf seine Eitelkeit und den Wunsch des Präsentierens.
    »Der Bosch-Orden, hm. Schwieriges Terrain. Das sind ziemlich dunkle Strukturen. Sie gelten als sogenannte Neu-Offenbarer. An der Spitze steht unumstritten diese Prophetin Birghid. Sie soll direkten Kontakt mit dem höchsten Lichtwesen haben. Ihre Herkunft liegt im Dunkeln. Angeblich hat sie früher als Schneiderin gearbeitet. Aber niemand weiß das genau. Irgendwann hatte sie Eingebungen und wollte Menschen heilen. Das war so um 1990 herum. Schnell scharten sich die Menschen um sie, denn einige ihrer Prophezeiungen haben wohl gestimmt, und ein Dutzend Menschen galt auch als geheilt. Zumindest behauptet der Orden das.«
    »Ist das wissenschaftlich belegt?«, fragte Jan.
    »Nun ja, es sind immer Krankheiten, bei denen kurzzeitige Spontanheilungen möglich sind, wie Multiple Sklerose zum Beispiel. Doch das wissen Sie als Arzt besser, das kann jederzeit wiederkommen. Aber es ist eben nicht dokumentiert.«
    Jan lächelte bitter. Wie oft hatte er als Arzt die verzweifelten Menschen erlebt, die von einem Wunderheiler kamen, um dann in seinem Krankenhaus eben doch qualvoll zu sterben. Er hatte nie an so etwas glauben wollen und können.
    »Heute ist das keine kleine Sekte mehr, sondern eher ein Wirtschaftsunternehmen. Dank großzügiger Spenden von sehr reichen Gönnern und Gläubigen schuf die Frau ein völlig im Dunkeln agierendes Imperium aus Sanatorien, Supermärkten, Kindergärten, Apotheken, Privatschulen und Biobauernhöfen. Sie mixt ihre Endzeitvisionen mit Tierschutz und urchristlichen Riten. Sie hat, so einige Sektenexperten, aber auch Verbindungen zu rechten Esoterikgruppen. Bis zu 10000 Anhänger soll sie im deutschsprachigen Raum haben. Sie tingelt über die Dörfer und hält