Die linke Hand Gottes
Steigbügeln, in der rechten Hand die eingelegte Lanze, in der linken die Zügel. Zweihundert Schritte oder vierzig Sekunden lang hielten sie dieses Tempo und ließen zwanzigtausend Pfeile über sich ergehen. Auf der restlichen Strecke aber gaben sie den Pferden die Sporen, zweitausend Lanzenspitzen, Mensch und Tier gepanzert, stürmten los, die Bogenschützen in Grund und Boden zu reiten.
Die Schützen, den Geschmack der Erde noch im Mund, ließen ein letztes Mal einen Pfeilhagel los. Wieder brachen Pferde getroffen zusammen, begruben ihre Reiter unter sich, rissen den Nachbarn mit in den Sturz. Doch die Formation ritt weiter. Und dann kam der Schock des Aufpralls.
Ein Pferd reitet normalerweise nicht einen Menschen nieder und nimmt auch nicht ein Hindernis, das zu hoch für es ist. Ein Mensch mit halbwegs klarem Verstand bleibt auch nicht vor einem heranstürmenden Pferd samt Reiter mit eingelegter Lanze stehen. Doch Menschen können bewusst in den Tod gehen, wovor ein Tier zurückschrecken würde. Menschen kann man zum Sterben abrichten.
Als die Reiter sich anschickten, wie eine gewaltige Welle über die Bogenschützen hereinzubrechen, flüchteten sich diese in das Dickicht aus angespitzten Stangen. Einige stolperten, einige waren zu langsam und fielen unter die Pferde oder wurden von Lanzen durchbohrt. Pferde gerieten zu schnell vor die spitzen Stangen und konnten nicht mehr den Sprung verweigern. Aufgespießt schrien sie wie am jüngsten Tag, ihre abgeworfenen Reiter lagen zappelnd wie Fische auf dem Trockenen. Erlöser erschlugen sie mit Hämmern oder fielen zu zweit über sie her, der eine hielt den am Boden Liegenden fest, während der andere ihm mit Schwertstichen den Rest gab. Allmählich färbte sich der braune Ackerboden rot.
Die meisten Pferde scheuten vor den Hindernissen. Manche stürzten und warfen ihre Reiter ab, andere blieben stehen, als die Attacke zusammenbrach, drehten sich um die eigene Achse und prallten mit dem Nachbarpferd zusammen, wieder andere flüchteten seitlich in die Wälder. Reiter fluchten, Pferde wieherten, nahmen Reißaus und flüchteten sich hinter die Front. Reiter stürzten zu Hunderten, und im nächsten Augenblick sprangen Bogenschützen hinter den Stangen hervor und töteten die noch vom Sturz Benommenen mit kräftigen Hammerschlägen. Jeweils drei Mönche in schmutzigen Kutten stürzten sich auf jeden abgeworfenen Materazzi, der, noch unsicher auf den Beinen, ehe er sein Schwert ziehen konnte, schon von ihnen niedergeworfen, getreten und mit Stichen in Helmschlitze und Gelenke erledigt wurde. Weiter hinten in dem Stangendickicht zielten zornige Bogenschützen, nun ohne Panik, auf die zurück flutenden Reiter. Noch mehr verwundete Pferde stürzten, andere gingen durch.
Doch es kam noch schlimmer. General Narcisse blieb nichts anderes übrig, als seine Schwertkämpfer in die Schlacht zu schicken, um die Kavallerie zu unterstützen. Zehntausend Mann in acht Reihen hatten schon die Hälfte der Distanz bis zur Front der Erlöser zurückgelegt, als die zurückflutende Kavallerie, die Pferde von Panik getrieben, in die Reihen der vorrückenden Schwertkämpfer stürmte. Vorn kamen ihnen Reihen von Soldaten in voller Rüstung entgegen, an den Flanken versperrte dichter Wald jede Flucht, folglich gab es keine Möglichkeit, den rasenden Pferden auszuweichen. Um den tödlichen Zusammenprall mit ihnen zu vermeiden, drängten die Soldaten zur Seite, versuchten verzweifelt, eine freie Gasse zu schaffen, eine wogende Masse, die in Wellen nach hinten und zur Seite drängte und in der jeder bei seinem Nachbarn Halt suchte, um nicht zu fallen.
Der Angriff brach auf ganzer Front zusammen – Soldaten fielen in den aufgewühlten Acker, fluchten und rissen sich gegenseitig zu Boden. Die Bogenschützen der Erlöser, die jetzt Zeit hatten, wieder Stellung einzunehmen, schossen nun ihre restlichen Pfeile ab. Jetzt aber waren die Materazzi keine achtzig Schritt von ihnen entfernt und sie standen still. Wenn jetzt ein Pfeil an der richtigen Stelle traf, bot die Rüstung keinen ausreichenden Schutz mehr.
Obwohl nur ein paar hundert Soldaten von fliehenden Pferden überrannt oder von Pfeilen verwundet worden waren, wankten Tausende Kameraden in den hinteren Reihen, bis sie von den Feldwebeln und Hauptleuten mit viel Schreien und Fluchen wieder in eine geordnete Schlachtreihe gezwungen wurden, damit der Vormarsch weiterging. Entnervt durch das Durcheinander und das Gestolper über aufgewühlten
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