Die linke Hand Gottes
Acker mit der schweren Rüstung schlossen sie sich für eine neue Attacke zusammen. Noch fünfzig Schritte, zwanzig, zehn – am Schluss spornten sie sich zu einem Spurt an, bereit, die Speere in die Brust des Feindes zu bohren.
Doch kurz vor dem Zusammenprall wichen die Erlöser wie ein Mann nach hinten aus, und der Vorstoß der Materazzi ging ins Leere. Die Schlachtreihe geriet ins Taumeln, da die einen vordrängten, die anderen zurückhingen, und so verpuffte erneut die Stoßkraft ihres Angriffs.
Mochte der Wirrwarr des Angriffs auch noch so groß gewesen sein, jetzt hieß es für die Materazzi siegen – waren sie doch die größten Soldaten der Welt, wohl gewappnet im Kampf von Angesicht zu Angesicht, und das bei einem Zahlenverhältnis von fünf zu eins. Siegesgewiss marschierten sie vorwärts. Neben dem Schreien und Fluchen der Männer war die Luft jetzt vom Klirren der Speere und dem keuchenden Gewoge der gepanzerten Materazzi erfüllt. Auf engstem Raum eingeklemmt, versuchte jeder, sich durch Stoßen und Drängeln Raum für seine Schwertkunst und damit Ruhm zu verschaffen. Aber nur die Materazzi in vorderster Front konnten kämpfen, weniger als tausend Mann hatten Platz zum Fechten. Die Erlöser waren zwar zahlenmäßig unterlegen, aber sie konnten jederzeit in die enge Kampfzone hinein- und hinausschlüpfen. Die ganz vorn stehenden Materazzi kamen nicht weiter, wurden von ihren Kameraden gleich hinter ihnen jedoch nach vorn gedrückt. Noch ärger machten es die ganz hinten Stehenden, denn diese wussten gar nicht, was vorn geschah, und drängten daher immer nur weiter. Der Druck wurde immer stärker. Die an der Frontlinie standen, versuchten, den Hämmern und Schwertern der Erlöser auszuweichen, fanden aber keinen Raum. Schließlich wurde der Druck auf sie so groß, dass sie den Schlägen und Stichen der Erlöser ausgeliefert wurden. Manche fielen, weil sie verwundet waren, andere rutschten unter dem Druck der Männer von hinten auf dem glitschigen Boden aus, woraufhin die Nachfolgenden ebenfalls fielen. Die Soldaten in den mittleren Reihen brannten darauf, an die Front zu kommen, und stiegen über die gefallenen Kameraden vor ihnen. Aber auch wenn sie nicht gewollt hätten, der Druck von den hinteren Reihen, die nicht sahen, was vorn geschah, war so groß, dass sie gar nicht anders konnten, als über die am Boden Liegenden zu steigen. Dabei fielen viele selber, so schwierig war es, das Gleichgewicht zu halten über den sich windenden und fuchtelnden Männern unter ihren Füßen. Wozu nützte ihnen die Rüstung bei dieser Kletterei über mehrere Schichten von Gefallenen? Und vorn an der Front ging das Hauen und Stechen unvermindert weiter.
Zwar stürzten auch Erlöser, aber sie konnten rasch wieder aufstehen oder von Mitbrüdern aus dem Menschenhaufen gezogen werden. Binnen drei, vier Minuten hatten sich Wälle von gefallenen Materazzi aufgetürmt, die den Erlösern als Schutz dienten und den Vormarsch der Gepanzerten hemmten. Der Druck von den hinteren Reihen wurde noch größer, denn die Männer dachten, dass jede niederbrechende Kampfreihe einen Geländegewinn bedeutete, und fühlten sich noch mehr veranlasst, zu drücken. Die wenigsten der am Boden liegenden Materazzi waren tot oder verwundet, aber in dem allgemeinen Gedrängel und in dem knietiefen Schlamm gelang es einem Gepanzerten nicht, ohne fremde Hilfe aufzustehen. Mit einem zweiten Mann über ihm konnte er sich nicht mehr bewegen. Noch ein dritter und er lag hilflos wie ein Kleinkind da. Man stelle sich die ohnmächtige Wut dieser Männer vor – das jahrelange Exerzieren, die vielen erfolgreich bestandenen Kämpfe, die Narben – und nun lagen sie im Schlamm und warteten darauf, von einem Bauerntrampel mit einem Holzhammer erschlagen oder mit einem Schwertstoß durch die Sehschlitze des Helms oder durch die schwache Stelle der Rüstung unter der Achsel getötet zu werden. Wut, Angst und Hilflosigkeit hielten sie gefangen. Und währenddessen ging das schreckliche Drücken von hinten weiter. Zwanzig Reihen Materazzi-Soldaten stemmten sich gegen ihre Kameraden, denn sie glaubten fest an den Sieg und brannten darauf, sich auszuzeichnen, ehe die Schlacht gewonnen war. Die Melder, die hinter dem Schlachtfeld postiert waren, sahen das Desaster an der Front nicht und berichteten, dass der Sieg schon so gut wie sicher sei, und forderten Verstärkung an, um noch am selben Tag den Sieg einzufahren.
Im weißen Zelt des Oberbefehlshabers trafen
Weitere Kostenlose Bücher