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Die linkshändige Frau - Erzählung

Die linkshändige Frau - Erzählung

Titel: Die linkshändige Frau - Erzählung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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nichts.«
    Die Frau: »Weinst du manchmal?«
    Der Vater: »Einmal, ja – vor einem Jahr, als ich so am Abend in der Wohnung saß. Und nachher hatte ich Lust auszugehen!«
    Die Frau: »Vergeht dir die Zeit noch so schwer wie in deiner Jugend?«
    Der Vater: »Oh, schwerer denn je. Jeden Tag einmal bleibe ich sozusagen in ihr stecken. Zum Beispiel, jetzt: Es ist doch schon seit Stunden dunkel, und ich muß immer daran denken, daß die Nacht erst noch anfängt.«
    Er drehte die Arme um den Kopf herum.
    Die Frau machte ihm diese Geste nach und fragte, was sie bedeute.
    Der Vater: »Ich habe mir gerade dicke Tücher um den Kopf gewickelt, bei der Vorstellung von der langen Nacht.«
    Er kicherte nicht mehr, lachte frei heraus: »Und du wirst auch so enden wie ich, Marianne. Eine Bemerkung übrigens, mit der der Zweck meiner Mission hier erfüllt ist.«
    Sie lächelten, und die Frau sagte: »Es wird kalt, nicht wahr?«
    Sie gingen an der anderen Seite der Siedlung den Hang hinab. Der Vater stockte einmal und hob den Zeigefinger. Die Frau drehte sich im Gehen nach ihm um und sagte nur: »Bleib doch nicht immer stehen, wenn dir etwas einfällt, Vater. Das ist mir schon als Kind an dir auf die Nerven gegangen.«
    Am nächsten Tag gingen sie durch die Frauenkleiderabteilung eines großen Warenhauses in einem benachbarten Einkaufszentrum. Eine Verkäuferin sagte zu einer Ausländerin, die mit einem grünen Kostüm aus der Umkleidekabine kam und nur dastand: »Das paßt Ihnen ausgezeichnet.« Der Vater trat dazu und sagte: »Aber das ist doch nicht wahr. Das Kleid ist scheußlich. Es steht ihr überhaupt nicht.« Die Frau kam schnell herzu und zog den Vater weiter.
    Sie fuhren auf einer Rolltreppe, an deren Ende er stolperte. Im Weitergehen, sie anschauend, sagte er: »Ich muß jetzt unbedingt uns beide fotografiert sehen. Gibt es einen Automaten hier?« Als sie vor dem Fotoautomaten ankamen, war da gerade ein Mann beschäftigt, die Entwicklerflüssigkeit auszuwechseln. Der Vater beugte sich zu den Beispielfotos, die außen an dem Apparat angebracht waren: sie zeigten viermal untereinander einen jugendlichen Menschen, der die Oberlippe zum Lächeln über die Zähne zog; auf einem der Bilder war auch ein Mädchen dabei. Der Vater betrachtete den Herrn mit der Entwicklerflüssigkeit, der den Kasten schloß und sich aufrichtete; zeigte dann wie überrascht auf die Fotos: »Das sind doch Sie, nicht wahr?«
    Der Mann stand neben seinen Fotos: er war inzwischen viel älter, fast kahl und lächelte auch anders. Er nickte nur. Der Vater fragte nach demMädchen, doch der Mann machte nur eine Handbewegung, als ob er etwas hinter sich werfe, und entfernte sich.
    Nach dem Fotografieren gingen sie wartend in der Nähe herum; der Vater blieb vor vielen Sachen stehen. Als sie zurück beim Automaten waren, kam gerade ein Fotostreifen heraus. Die Frau griff danach; aber es war ein ganz fremder Mann auf den Fotos.
    Sie blickte sich um: der Abgebildete stand da und sagte: »Ihre Fotos sind schon lange fertig; ich habe mir erlaubt, sie anzuschauen. Entschuldigen Sie.« Sie tauschten die Fotos aus. Der Vater betrachtete den Mann lange und sagte: »Sie sind doch Schauspieler, nicht wahr?«
    Der Mann nickte stumm und schaute weg: »Aber im Moment bin ich arbeitslos.«
    Der Vater: »Sie genieren sich immer für das, was Sie zu sagen haben. Dadurch wird es erst recht peinlich.«
    Der Mann lachte und schaute wieder weg.
    Der Vater: »Sind Sie privat auch so feig?«
    Der Mann, erst lachend und wegschauend, blickte schnell wieder zurück.
    Der Vater: »Ihr Fehler ist, glaube ich, daß Sie immer etwas von sich selbst für sich behalten. Für einen Schauspieler sind Sie zu wenig unverschämt. Sie wollen eine Figur sein wie in diesen amerikanischen Filmen und setzen sich doch nieaufs Spiel. Deswegen posieren Sie nur.«
    Der Mann schaute die Frau an, die aber nicht einschritt.
    Der Vater: »Ich bin der Meinung, Sie sollten einmal richtig rennen lernen, richtig schreien, den Mund aufreißen. Ich habe beobachtet, daß Sie nicht einmal, wenn Sie gähnen, wagen, den Mund ganz aufzumachen.« Er boxte ihn in den Magen, und der Mann krümmte sich. »Trainiert sind Sie auch nicht. Wie lange sind Sie denn schon ohne Arbeit?«
    Der Mann: »Ich zähle die Tage gar nicht mehr.«
    Der Vater: »Machen Sie in Ihrem nächsten Film ein Zeichen, daß Sie mich verstanden haben!«
    Der Mann haute sich die Faust in den Handteller. Der Vater machte die Geste nach: »Genau das ist

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