Die linkshändige Frau - Erzählung
ich würde es nicht aushalten, da im Kopf. Ich würde wahnsinnig werden für immer, oder sterben. Oder ich würde jemanden ermorden.«
Franziska: »Willst du denn dein Leben lang so allein bleiben? Gibt es keine Sehnsucht nach einem Menschen, der mit Leib und Seele dein Freund wäre?«
Die Frau rief: »O ja. O ja. – Aber ich möchte nicht wissen, wer er ist. Auch wenn ich immer mit ihm zusammen wäre, wollte ich ihn nie kennenlernen. Nur eins hätte ich gern« – sie lächelte wie über sich – »daß er ungeschickt wäre, ein rechter Tölpel; ich weiß selber nicht, warum.« Sie unterbrach sich: »Ach Franziska, ich rede wie eine Heranwachsende.«
Franziska: »Aber ich habe eine Erklärung für den Tölpel! Ist nicht auch dein Vater so einer? Als er mir bei seinem letzten Besuch über den Tisch weg die Hand gab, griff er dabei gleich in das Senffaß.«
Die Frau lachte, und das spielende Kind schaute, als sei das bei der Mutter ungewohnt, zu ihr herüber.
Franziska: »Er kommt übrigens heute nachmittag mit der Bahn. Ich habe ihn in einem Telegramm gebeten zu kommen. Er erwartet, daß ihr ihn abholt.«
Die Frau sagte, nach einer Pause: »Das hättest du nicht tun sollen. Ich will niemanden im Moment. In Gesellschaft wird alles so harmlos.«
Franziska: »Mir scheint, daß du andere Menschen inzwischen nur noch als fremde Geräuschein der Wohnung erlebst.«
Sie legte der Frau die Hand auf den Arm. Die Frau sagte: »In dem Buch, das ich gerade übersetze, kommt ein Baudelaire-Zitat vor: die einzige politische Handlung, die er verstehe, sei die Revolte. Dabei dachte ich plötzlich: die einzige politische Handlung, die ich verstehe, ist der Amoklauf.« Franziska: »Das kennt man doch sonst nur von Männern.«
Die Frau: »Wie geht es dir übrigens mit Bruno?« Franziska: »Bruno ist jemand, der wie gemacht scheint zum Glücklichsein. Deswegen ist er jetzt so fassungslos. Und so theatralisch! Er geht mir auf die Nerven. Ich werde ihn hinauswerfen.«
Die Frau: »Ach Franziska. Das sagst du von allen. Und immer bist du die Verlassene.«
Franziska antwortete nach einiger Zeit, nachdem sie zu ein paar Protestbewegungen angesetzt hatte, überrascht: »Eigentlich hast du recht!«
Sie blickten einander an. Dann rief die Frau den Kindern zu, die, wie verfeindet, voneinander abgewendet standen – der dicke Junge eher traurig –: »He Kinder, keine Feindschaft heute!«
Der dicke Junge lächelte erlöst, und die beiden bewegten sich, wenn auch mit gesenkten Köpfen, auf Umwegen wieder aufeinander zu.
Die Frau und das Kind warteten am Sackbahnhof des kleinen Ortes. Nach der Einfahrt des Zugeswinkte der Vater, ein blasser alter Mann mit Brille, hinter einem Fenster. Er war vor vielen Jahren ein erfolgreicher Schriftsteller gewesen, der nun die Durchschläge kleiner Skizzen und Schnurren an Zeitungen schickte. Beim Aussteigen bekam er die Waggontür nicht auf, und die Frau öffnete sie von außen und half ihm auf den Bahnsteig herunter. Sie betrachteten einander und freuten sich schließlich. Der Vater hob die Schultern, schaute in verschiedene Richtungen, wischte sich die Lippen ab und sagte, daß seine Hände vom Metall im Zug schlecht röchen.
Zu Hause saßen er und das Kind am Boden, das sich die für es bestimmten Geschenke aus der Reisetasche holte: einen Kompaß, ein Würfelspiel. Es zeigte auf verschiedene Gegenstände draußen und drinnen und fragte jeweils nach der Farbe. Der Großvater antwortete oft falsch. Das Kind: »Du bist immer noch farbenblind?« Der Großvater: »Ich habe nur nie gelernt, Farben zu sehen.« Die Frau kam dazu mit einem silbernen Tablett, auf dem hellblaues Geschirr stand. Der Tee dampfte beim Eingießen, und der Vater wärmte sich an der Kanne die Hände. Während er saß, waren ihm Münzen und ein Schlüsselbund aus der Tasche gefallen. Die Frau hob die Sachen auf: »Jetzt hast du schon wieder Geld lose in allen Taschen.« Der Vater: »Deine Börse habe ich gleich damals auf der Heimfahrt verloren.«
Während sie tranken, erzählte er: »Kürzlich erwartete ich Besuch. Als ich aufmachen ging, sah ich sofort, daß der Besucher von Kopf bis Fuß vom Regen tropfte. Dabei hatte ich gerade die Wohnung geputzt! Während ich ihn nun hereinließ und ihm die Hand schüttelte, merkte ich, daß ich dabei auf der Fußmatte stand und mir eifrigst die Schuhe abstreifte, als sei ich der nasse Besucher.« Er kicherte.
Die Frau: »Du fühlst dich immer noch so oft ertappt?«
Der Vater hielt sich
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