Die Liste
machen.«
»Sie waren gar nicht hier?«
»Ich hatte zwei Jahre lang einen Lehrauftrag in Chicago.
Als ich vor achtzehn Monate wiedergekommen bin, hatte man Mr Hooten bereits entlassen.«
»Aber Sie haben sich seine Akte angesehen?«
»Ja, und sein Zustand hatte sich während meiner Abwesenheit stark verbessert. Die Ärzte hatten die richtige Mischung von Psychopharmaka gefunden, und seine Symptome waren erheblich zurückgegangen. Er wurde in ein ambulantes Therapieprogramm in Tupelo aufgenommen, und dort haben wir ihn dann sozusagen aus den Augen verloren. Ich brauche wohl nicht zu sagen, Mr Traynor, dass die Behandlung von psychisch kranken Menschen in diesem und in vielen anderen Bundesstaaten keine hohe Priorität besitzt. Wir haben zu wenig Personal und zu geringe finanzielle Mittel.«
»Hätten Sie ihn auch entlassen?«
»Diese Frage kann ich nicht beantworten, Mr Traynor.
Ich glaube, ich habe Ihnen schon genug gesagt.«
Ich bedankte mich dafür, dass er sich Zeit für mich genommen hatte, und versprach noch einmal, alles vertraulich zu behandeln. Er wollte ein Exemplar der Zeitung haben, wenn der Artikel erschien.
An einem Fastfood-Restaurant in Jackson hielt ich, um einen Cheeseburger zu essen. Dann rief ich von einem Münzfernsprecher aus in der Redaktion an, weil ich wissen wollte, ob es während meiner Abwesenheit noch ein paar Schießereien gegeben hatte. Margaret war erleichtert, meine Stimme zu hören.
»Kommen Sie schnell, Willie«, sagte sie.
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»Warum?«
»Callie Ruffin hat einen Schlaganfall gehabt. Sie liegt im Krankenhaus.«
»Ist es sehr schlimm?«
»Ich fürchte, ja.«
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as Geld aus einer 1977 vom County ausgegebenen Anleiheem
D
ission war für die Renovierung unseres Krankenhauses verwendet worden. An einem Ende des Haupttraktes befand sich eine moderne, wenn auch recht dunkle Kapelle, wo ich einmal mit Margaret und ihrer Familie gesessen hatte, nachdem ihre Mutter gestorben war. Dort fand ich auch die Ruffins, alle acht Kinder, alle einundzwanzig Enkel und alle Ehepartner bis auf Leons Frau. Reverend Thurston Small war ebenfalls gekommen, zusammen mit einer ansehnlichen Abordnung der Kirchengemeinde. Esau wartete oben in der Intensivstation vor Miss Callies Zimmer.
Sam erzählte, dass sie sich für ein Nickerchen hingelegt hatte und dann mit einem stechenden Schmerz im linken Arm aufgewacht war. Dann wurde ihr Bein taub, und kurze Zeit später konnte sie nicht mehr zusammenhängend sprechen. Ein Rettungswagen hatte sie ins Krankenhaus gebracht. Der Arzt war sicher, dass sie zuerst einen Schlaganfall gehabt hatte, auf den ein leichter Herzanfall gefolgt war. Miss Callie hatte starke Medikamente bekommen und war an Überwachungsgeräte angeschlossen worden. Um acht Uhr hatte der Arzt gesagt, ihr Zustand sei »ernst, aber stabil«.
Besucher durften nicht zu ihr, daher blieb uns nichts anderes übrig, als zu warten, zu beten und Freunde zu begrüßen, die kamen und gingen. Nach einer Stunde in der Kapelle war ich so müde, dass ich nur noch ins Bett wollte. Max, der Drittgeborene, aber eindeutig der Anführer, stellte einen Plan für die Nacht auf. Mindestens zwei von Miss Callies Kindern sollten immer im 486
Krankenhaus sein.
Um elf Uhr sprachen wir noch einmal mit dem Arzt, der sagte, dass sie immer noch stabil sei. Sie »schlief« gerade, wie er es ausdrückte, aber auf unsere Nachfragen hin gab er zu, dass sie mit Medikamenten in einen künstlichen Schlaf versetzt worden war, um einen zweiten Schlaganfall zu verhindern. »Gehen Sie nach Hause, und ruhen Sie sich aus«, sagte er. »Morgen wird vielleicht ein langer Tag.«
Wir ließen Mario und Gloria in der Kapelle und fuhren zu mir, wo wir auf der Seitenveranda Eis aßen. Sam hatte Esau nach Hause gebracht. Ich freute mich, dass nun auch der Rest der Familie bei mir übernachten wollte.
Von den dreizehn Erwachsenen wollten nur Leon und Carlotas Mann, Sterling, etwas Alkoholisches trinken. Ich machte eine Flasche Wein auf. Wir drei verzichteten auf das Eis.
Alle waren müde, besonders die Kinder. Der Tag hatte mit einem Abenteuer im Gericht begonnen, wo sie einen Blick auf den Mann hatten werfen wollen, der unsere kleine Stadt in Angst und Schrecken versetzt hatte. Es schien vor einer Woche gewesen zu sein. Um Mitternacht versammelte Al die Familie in meinem Arbeitszimmer zu einem letzten Gebet. Es war ein »Kettengebet«, wie er es nannte; alle Erwachsenen und auch die Kinder bedankten sich für etwas und
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