Die Liste
Schießerei geben?
Einen Krieg?
Anhand des Geschnatters konnten wir uns recht gut vorstellen, was gerade passierte. Am Highway 42 trafen McNatt und seine Männer zehn »Einheiten« der Mississippi Highway Patrol. Wir nahmen an, dass
»Einheit« nichts anderes als Streifenwagen bedeutete, aber es hörte sich um einiges gefährlicher an. Sie fuhren zum Highway 401 und bogen in die Straße ab, die zur Insel führte. An der Brücke, wo alle die entscheidende Kraftprobe erwarteten, saß Danny Padgitt neben seinem Anwalt in einem Auto.
Die Stimmen im Scanner klangen nervös.
»Er hat seinen Anwalt dabei!«
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»Wilbanks?«
»Ja.«
»Wir sollten beide erschießen.«
»Sie steigen aus.«
»Wilbanks hat die Hände gehoben. So ein Schwachkopf!«
»Es ist eindeutig Danny Padgitt. Er hat die Hände oben.«
»Ich würd ihm gern das Grinsen aus dem Gesicht schlagen.«
»Sie haben ihm Handschellen angelegt.«
»Verdammt!«, brüllte Harry Rex an seinem Schreibtisch.
»Ich wollte eine Schießerei! So wie früher!«
Eine Stunde später – wir waren gerade im Gefängnis –
kam die Parade aus roten und blauen Blinklichtern angefahren. Sheriff McNatt hatte Padgitt klugerweise in den Streifenwagen eines Staatspolizisten gesetzt, um zu verhindern, dass ihn seine Deputys während der Fahrt zu hart anpackten. Zwei ihrer Kollegen wurden in Memphis operiert, und die Nerven der Beamten lagen blank.
Vor dem Gefängnis hatte sich eine Menschenmenge versammelt. Padgitt wurde beschimpft und verhöhnt, während er im Laufschritt hineingebracht wurde.
Daraufhin befahl der Sheriff den Hitzköpfen verärgert, nach Hause zu gehen.
Padgitt in Handschellen zu sehen war eine Erleichterung.
Das gesamte County atmete auf, als bekannt wurde, dass er verhaftet worden war. Die dunkle Wolke hatte sich gelichtet. An jenem Abend fing Clanton wieder zu leben an.
Als ich nach Einbruch der Dunkelheit nach Hause kam, war Familie Ruffin in Feststimmung. Miss Callie wirkte 470
so gelöst wie lange nicht mehr. Wir saßen noch lange auf der Veranda zusammen, redeten, lachten und hörten Aretha Franklin, die Temptations und von zu Zeit zu Zeit sogar ein Feuerwerk.
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iemand wusste, dass Lucien Wilbanks und Richter N Noose in den hektischen Stunden vor der Verhaftung Danny Padgitts eine Vereinbarung getroffen hatten. Der Richter hatte befürchtet, es könnte verhängnisvolle Folgen haben, wenn Padgitt sich auf der Insel versteckte oder sich der Festnahme widersetzte. Das County war ein Pulverfass, das nur auf das Streichholz wartete. Die Polizisten schrien nach Rache für Teddy Ray und Travis, deren himmelschreiende Dummheit vorübergehend ignoriert wurde, während die beiden sich im Krankenhaus erholten. Und Maxine Root kam aus einer Familie von Waldarbeitern, einem großen, streitsüchtigen Clan, der das ganze Jahr über auf die Jagd ging, von seinem Land lebte und nicht zimperlich war, wenn Rechnungen zu begleichen waren.
Wilbanks hatte überlegt und sich dann einverstanden erklärt, seinen Mandanten der Polizei zu übergeben, allerdings unter einer Bedingung: Die Kautionsanhörung sollte sofort stattfinden. Er hatte angeblich ein Dutzend Zeugen, die bereit waren, Danny ein »wasserdichtes«
Alibi zu geben, und wollte, dass die Bürger Clantons ihre Aussage hörten. Er glaubte tatsächlich, dass jemand anderes hinter den Morden steckte, und es war ihm wichtig, die Stadt davon zu überzeugen.
Dazu kam, dass die Anwaltskammer Wilbanks wegen eines anderen Falls die Lizenz binnen Monatsfrist entziehen wollte. Er wusste, das Ende nahte – die Kautionsanhörung würde sein letzter Auftritt vor Gericht sein.
Noose war mit einer sofortigen Kautionsanhörung einverstanden und setzte sie für zehn Uhr morgens am 472
nächsten Tag, dem 3. Juli, an. Der Gerichtssaal von Ford County war bis auf den letzten Platz besetzt, und das Szenario hatte eine beängstigende Ähnlichkeit mit dem Prozess neun Jahre zuvor. Die Zuschauer wollten unbedingt einen Blick auf Danny Padgitt erhaschen, und viele hofften, dass man ihn gleich an Ort und Stelle aufknüpfte. Maxine Roots Familie kam sehr früh und setzte sich weit nach vorn. Die Männer waren massig gebaut, bärtig, trugen Overalls und machten mir Angst, obwohl wir doch angeblich auf derselben Seite standen.
Maxine ging es wohl den Umständen entsprechend recht gut. Angeblich konnte sie in ein paar Tagen wieder nach Hause.
Die Ruffins hatten an diesem Morgen nicht viel zu tun und wollten sich
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