Die Liste
baten Gott darum, Miss Callie zu beschützen. Dort, auf meinem Sofa, Hand in Hand mit Bonnie und Marios Frau, spürte ich die Gegenwart des Herrn. Ich war sicher, dass es meiner lieben Freundin, ihrer Mutter und Großmutter, bald wieder besser gehen würde.
Zwei Stunden später lag ich im Bett. Ich war hellwach und hörte immer noch den scharfen Knall des Gewehrs im 487
Gerichtssaal, den dumpfen Einschlag der Kugel, die Danny getroffen hatte, die panischen Schreie. In Gedanken wiederholte ich das Gespräch mit Dr. Vero und fragte mich, in welcher Hölle der arme Hank Hooten wohl in den letzten Jahren gelebt hatte. Warum hatte man ihn wieder auf die Gesellschaft losgelassen?
Und ich machte mir Sorgen um Miss Callie, obwohl ihr Zustand unter Kontrolle zu sein schien und sie im Krankenhaus in guten Händen war.
Irgendwann gelang es mir, für zwei Stunden zu schlafen, dann stand ich auf und ging nach unten in die Küche, wo Mario und Leon am Tisch saßen und Kaffee tranken.
Mario war vor einer Stunde aus dem Krankenhaus gekommen. Miss Callies Zustand war unverändert. Die beiden stellten bereits einen rigorosen Plan zur Gewichtsabnahme auf, für dessen Einhaltung die Kinder sorgen würden, wenn Miss Callie wieder zu Hause war.
Außerdem hatten sie sich ein Bewegungsprogramm ausgedacht, das unter anderem aus langen Spaziergängen in Lowtown bestand. Regelmäßige Untersuchungen beim Arzt, Vitamine, fettarmes Essen.
Sie meinten es ernst mit dem Gesundheitsprogramm für ihre Mutter, obwohl alle wussten, dass Miss Callie ohnehin das tun würde, was sie sich in den Kopf gesetzt hatte.
Einige Stunden später machte ich mich daran, meine Sachen und den Krimskrams, der sich in neun Jahren angesammelt hatte, zusammenzupacken und mein Büro auszuräumen. Die neue Chefredakteurin war eine nette Frau aus Meridian, Mississippi, und würde am Ende der Woche anfangen. Margaret bot mir ihre Hilfe an, aber ich wollte es langsam angehen und in Erinnerungen schwelgen, während ich Schubladen und Aktenschränke 488
leerte. Es war ein sehr persönlicher Moment, und ich hatte das Bedürfnis, allein zu sein.
Mr Caudles Bücher wurden nach vielen Jahren von den staubigen Regalen heruntergenommen, wo sie lange vor meiner Ankunft hingestellt worden waren. Ich wollte sie zu Hause aufbewahren, für den Fall, dass einer seiner Vorfahren vorbeikam und etwas wissen wollte.
Meine Gefühle waren gemischt. Alles, was ich in die Finger bekam, erinnerte mich an etwas: einen Artikel, einen Termin, eine Fahrt ins Hinterland, um etwas zu recherchieren, einen Zeugen zu interviewen oder jemanden kennen zu lernen, von dem ich hoffte, dass er für ein Porträt interessant genug war. Doch je schneller ich mit dem Packen fertig wurde, desto eher würde ich die Redaktion verlassen und in das nächste Flugzeug steigen können.
Um 9.30 Uhr rief Bobby Ruffin an. Miss Callie war wach, hatte sich aufgesetzt und trank Tee. Besuche waren für ein paar Minuten erlaubt. Ich fuhr schnell ins Krankenhaus. Sam erwartete mich am Eingang und führte mich durch das Gewirr von Zimmern und Kabinen auf der Intensivstation. »Sprechen Sie nicht über das, was gestern passiert ist«, sagte er.
»In Ordnung.«
»Nichts, was sie aufregen könnte. Sie wollen nicht einmal ihre Enkel zu ihr lassen, weil sie Angst haben, dass ihr Herz verrückt spielt. Es muss alles ganz ruhig ablaufen.«
Miss Callie war wach, wirkte aber sehr benommen. Ich hatte die glänzenden Augen und das strahlende Lächeln erwartet, aber sie war kaum bei Bewusstsein. Sie erkannte mich, wir umarmten uns, ich tätschelte ihre rechte Hand.
An der linken steckte eine Infusion. Außer mir waren Sam, Esau und Gloria im Zimmer.
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Ich wollte ein paar Minuten mit ihr allein sein, um ihr endlich zu sagen, dass ich die Zeitung verkauft hatte, aber sie war nicht in der Verfassung für Neuigkeiten dieser Art.
Sie war jetzt seit fast zwei Stunden wach und brauchte offenkundig Schlaf. In ein oder zwei Tagen würden wir vielleicht darüber reden können.
Nach fünfzehn Minuten kam ein Arzt und bat uns zu gehen. Wir verließen das Krankenhaus, kamen irgendwann zurück und hielten den ganzen 4. Juli über Wache, obwohl man uns nicht wieder auf die Intensivstation ließ.
Der Bürgermeister hatte beschlossen, dass es dieses Jahr am 4. Juli kein Feuerwerk geben würde. Wir hatten genug Explosionen gehört und genug unter Schießpulver gelitten.
Angesichts der immer noch andauernden Nervosität der Bevölkerung
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