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Die Liste

Die Liste

Titel: Die Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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regte sich kein Widerstand. Die Blaskapellen marschierten, die Parade wurde abgehalten, und die Reden der Politiker hörten sich an wie immer, obwohl es dieses Jahr weniger Kandidaten gab. Senator Theo Morton glänzte durch Abwesenheit. Es gab Eis, Limonade, Barbecue, Zuckerwatte – das übliche Essen, die üblichen Süßigkeiten, wie immer auf dem Rasen vor dem Gericht.
    Doch die Stimmung wirkte sonderbar gedrückt.
    Vielleicht lag es auch an mir. Vielleicht war ich der Stadt so überdrüssig, dass alles an ihr falsch zu sein schien.
    Doch ich wusste, wie ich Abhilfe schaffen konnte.
    Nach den Reden verließ ich den Clanton Square und fuhr ins Krankenhaus, ein kleiner Umweg, der langsam zur Routine wurde. Ich sprach mit Fuzzy, der den Parkplatz des Krankenhauses kehrte, mit Ralph, der die Fenster in der Eingangshalle putzte. In der Kantine kaufte ich eine Flasche Limonade von Hazel, plauderte kurz mit Mrs Esther Ellen Trussel, die als Freiwillige der örtlichen 490

    Frauengruppe am Informationsschalter saß. Im Wartezimmer im ersten Stock fand ich Bobby und Als Frau, die wie zwei Zombies in einen Fernsehapparat starrten. Ich hatte gerade eine Zeitschrift in die Hand genommen, als Sam hereinstürmte.
    »Sie hatte wieder einen Herzanfall!«, sagte er.
    Wir sprangen auf, als müssten wir dringend weg. »Es ist gerade eben passiert! Mehrere Ärzte sind bei ihr!«
    »Ich ruf zu Hause an«, erwiderte ich und ging zum Münzfernsprecher. Max nahm den Hörer ab. Fünfzehn Minuten später strömten die Ruffins in die Kapelle.
    Die Ärzte brauchten ewig, bis sie uns Bescheid gaben.
    Es war schon fast acht Uhr, als der behandelnde Arzt in die Kapelle kam. Ärzte wirken in der Regel distanziert und nüchtern, aber seine ernsten Augen und die gerunzelte Stirn sprachen eine unmissverständliche Sprache. Während er den »längeren Herzstillstand« beschrieb, schienen Miss Callies acht Kinder in sich zusammenzusinken. Ihre Mutter war an ein Beatmungsgerät angeschlossen, da sie aus eigener Kraft nicht mehr atmen konnte.
    Innerhalb einer Stunde drängten sich Miss Callies Freunde in der Kapelle. Reverend Thurston Small leitete eine Gebetsgruppe neben dem Altar, und die Leute kamen und gingen, wie es ihnen beliebte. Der arme Esau saß vornüber gebeugt in der letzten Reihe. Er wirkte müde und alt. Um ihn herum hatten sich seine Enkelkinder versammelt, die alle sehr brav und ruhig waren.
    Wir warteten stundenlang. Obwohl wir lächelten und versuchten, optimistisch zu sein, schien der Tod neben uns zu stehen. Es war, als hätte die Beerdigung bereits begonnen.
    Margaret kam vorbei, und wir unterhielten uns draußen auf dem Korridor miteinander. Etwas später sprachen 491

    mich Mr und Mrs Fargarson an und fragten, ob sie kurz mit Esau reden könnten. Ich führte sie in die Kapelle, wo sie von den Ruffins begrüßt wurden, die ihnen ihr Beileid zum Tod ihres Sohnes ausdrückten.
    Um Mitternacht waren wir wie betäubt und verloren allmählich unser Zeitgefühl. Die Minuten schleppten sich dahin. Irgendwann warf ich einen Blick auf die Uhr und fragte mich, wo die letzte Stunde geblieben war. Ich wollte weg von hier, selbst wenn es nur für einen kleinen Spaziergang und ein wenig frische Luft war. Doch der Arzt hatte gesagt, wir sollten besser in der Nähe bleiben.
    Wie ernst die Lage war, begriffen wir jedoch erst, als er wiederkam und mit ernster Stimme sagte, es sei Zeit,
    »Abschied« zu nehmen. Die Ruffins rangen nach Atem, dann kamen die Tränen. Ich werde nie vergessen, wie Sam rief: »Abschied nehmen?«
    »Geht es etwa zu Ende?«, fragte Gloria entsetzt.
    Erschrocken und verwirrt folgten wir dem Arzt aus der Kapelle, den Korridor hinunter und eine Treppe hinauf.
    Wir gingen mit schleppenden Schritten, als führte man uns zu unserer Hinrichtung. Die Krankenschwestern halfen dabei, uns durch das Labyrinth der Intensivstation zu lotsen. Ihre Gesichter sagten uns das, was wir am meisten fürchteten.
    Als die Familie nacheinander in das kleine Zimmer trat, berührte mich der Arzt am Arm und sagte: »Nur die Familie.«
    »Ja, natürlich«, erwiderte ich und blieb stehen.
    »Das ist schon in Ordnung«, sagte Sam. »Er gehört zu uns.«
    Wir drängten uns um Miss Callie und die Maschinen, von denen die meisten schon abgeschaltet worden waren.
    Die beiden kleinsten Enkel wurden auf das Fußende des 492

    Bettes gesetzt. Esau stand ihr am nächsten und streichelte ihr sanft über das Gesicht. Ihre Augen waren geschlossen; sie schien nicht

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