Die Liste
Hooten an einem Sonntagabend im Gotteshaus der Unabhängigen Kirche von Calico Ridge gesehen hatte und niemand zu wissen schien, wo er die letzten Jahre seines Lebens verbracht hatte.
Dann versuchte ich, Dr. Vero deutlich zu machen, dass die Stadt wissen musste, warum Hank Hooten durch-gedreht war. Wie krank war er gewesen? Warum war er entlassen worden? Es gab viele Fragen, und bevor »wir«
das tragische Ereignis hinter »uns« lassen könnten, müssten »wir« die Wahrheit erfahren. Ich stellte fest, dass ich geradezu um Informationen bettelte.
»Wie viel werden Sie drucken?«, fragte er endlich.
»Nur so viel, wie Sie wollen. Und wenn etwas inoffiziell ist, sagen Sie es einfach.«
»Gehen wir ein wenig spazieren.«
Wir setzten uns auf eine Bank aus Beton, die in einem kleinen, schattigen Hof stand, und tranken Kaffee aus Pappbechern. »Ich sage Ihnen zuerst das, was Sie drucken können«, begann Dr. Vero. »Mr Hooten wurde im Januar 1971 hier eingeliefert. Er wurde als schizophren diagnostiziert, in Gewahrsam genommen, behandelt und im Oktober 1976 entlassen.«
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»Wer hat die Diagnose gestellt?«
»Jetzt wird es inoffiziell, in Ordnung?«
»In Ordnung.«
»Das muss unter uns bleiben, Mr Traynor. Geben Sie mir Ihr Wort darauf.«
Ich legte Stift und Notizbuch beiseite und sagte: »Ich schwöre auf die Bibel, dass nichts davon gedruckt werden wird.«
Er zögerte lange und trank immer wieder von seinem Kaffee. Für einen Moment dachte ich, er hätte es sich anders überlegt und würde mich wegschicken. Aber dann wurde er ein wenig lockerer und sagte: »Ich habe Mr Hooten behandelt, als er zu uns gekommen ist. Es gab mehrere Fälle von Schizophrenie in seiner Familie. Seine Mutter und möglicherweise auch seine Großmutter haben daran gelitten. Bei dieser Krankheit spielen die Gene oft eine Rolle. Während seiner Collegezeit wurde er in eine psychiatrische Klinik eingewiesen, aber es gelang ihm bemerkenswerterweise trotzdem, das Jurastudium abzuschließen. Nach seiner zweiten Scheidung Mitte der Sechzigerjahre ist er dann nach Clanton gezogen, wo er noch einmal von vorn anfangen wollte. Eine dritte Scheidung folgte. Er betete Frauen geradezu an, war aber unfähig, eine Beziehung zu führen. In Rhoda Kassellaw war er sehr verliebt, und er hat behauptet, er habe ihr mehrere Heiratsanträge gemacht. Ich bin sicher, dass er der jungen Dame auf die Nerven ging. Der Mord an ihr war ein schweres Trauma für ihn. Und als die Geschworenen ihren Mörder nicht mit dem Tod bestrafen wollten, ist er sozusagen übergeschnappt.«
»Danke, dass Sie es für mich als Laien verständlich ausdrücken«, erwiderte ich. Ich musste daran denken, welche Diagnose damals in der Stadt umgegangen war –
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»total durchgeknallt«.
»Er hörte Stimmen, vor allem die Stimme von Miss Kassellaw. Auch ihre zwei kleinen Kinder sprachen zu ihm. Sie flehten ihn an, ihre Mutter zu beschützen, zu retten. Und sie schilderten ihm, wie schrecklich es war, zusehen zu müssen, wie ihre Mutter in ihrem eigenen Bett vergewaltigt und ermordet wurde. Sie warfen ihm vor, sie nicht gerettet zu haben. Und ihr Mörder, Mr Padgitt, hat ihn aus dem Gefängnis verhöhnt. Über unser internes Überwachungssystem habe ich häufig mit angehört, wie Mr Hooten Danny Padgitt in seinem Zimmer hier beschimpft hat.«
»Hat er auch von den Geschworenen gesprochen?«
»O ja, die ganze Zeit. Er wusste, dass drei von ihnen –
Mr Fargarson, Mr Teale und Mrs Root – sich geweigert hatten, der Todesstrafe zuzustimmen. Er schrie ihre Namen immer wieder, meistens mitten in der Nacht.«
»Das ist erstaunlich. Die Geschworenen haben sich gegenseitig das Versprechen abgenommen, nie etwas über die Beratung zu erzählen. Bis vor einem Monat hat niemand gewusst, wie abgestimmt worden ist.«
»Aber er war doch der stellvertretende Staatsanwalt.«
»Das stimmt.« Ich konnte mich noch gut daran erinnern, wie Hank Hooten neben Ernie Gaddis in der Verhandlung gesessen und nie etwas gesagt hatte. Er hatte stets gelangweilt und desinteressiert gewirkt. »Hat er gesagt, dass er sich an ihren rächen wollte?«
Dr. Vero trank einen Schluck Kaffee und überlegte, ob er mir antworten sollte. »Ja. Er hat sie gehasst. Er wollte sie tot sehen, genau wie Mr Padgitt.«
»Und warum ist er dann entlassen worden?«
»Ich kann über seine Entlassung nicht sprechen, Mr 483
Traynor. Ich war zu der Zeit nicht hier, und eventuell würde man die Anstalt dafür haftbar
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