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Die Loewin von Mogador

Die Loewin von Mogador

Titel: Die Loewin von Mogador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Drosten
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ihrem Eigensinn und ihrem scharfen
Mundwerk hatte sie einen nach dem anderen in die Flucht geschlagen. Bald eilte
ihr der Ruf voraus, dass sie eine Frau wäre, die die Männer beherrschen wollte,
und das schreckte viele ab. Benjamin allerdings sah darin seinen entscheidenden
Vorteil. Der Reedereitratsch behauptete nämlich, dass Richard Spencer langsam
fürchtete, seine Tochter könnte als alte Jungfer enden. Und je mehr er das
fürchtete, desto weniger würde er gegen einen Schwiegersohn wie Benjamin
einwenden, der weder einen illustren Stammbaum noch ein beeindruckendes
Vermögen aufwies.
     
    „Was ist das für eine Versammlung, an der
mein Vater teilnimmt?“, fragte Sibylla, während sie ihr kleines Gefährt durch
das Gewimmel von Frachtkarren, Werft- und Dockarbeitern, Matrosen,
Hafenagenten, Handwerkern und Angestellten der umliegenden Kontore steuerte.
    „Für eine so reizende junge Dame gibt es
gewiss Amüsanteres, als sich mit Gesprächen über trockene Geschäfte zu
langweilen“, erwiderte Benjamin und zeigte sein charmantestes Lächeln. Doch was
bei anderen Frauen durchaus seine Wirkung hatte, brachte ihm von Sibylla einen
ärgerlichen Blick ein. „Würde ich fragen, wenn es mich nicht interessiert?“
    Benjamin lachte wieder, jetzt verlegen. „Nun,
es geht um den Maghrebhandel, also den mit den Ländern Nord- und Westafrikas“,
erklärte er dann. „Ihr Vater als Präsident der West India Dock Gesellschaft hat
einen Brief vom Generalkonsul der britischen Regierung in Marokko erhalten. Der
Sultan lädt europäische Kaufleute in sein Land. Seine Kassen sind nämlich leer,
nachdem er jahrelang Krieg gegen seine aufsässigen Berberscheiche geführt hat.
Mit den marokkanischen Juden hat er die Binnenwirtschaft angekurbelt, wir
Europäer sollen den Überseehandel in Schwung bringen.“
    „Ist es dort für uns nicht gefährlich? Vor
den Küsten soll es Piratennester geben, die christliche Gefangene als Sklaven
verkaufen“, bemerkte Sibylla nachdenklich.
    „Sie kennen sich aus, Miss Spencer, meine
Hochachtung!“, entgegnete Benjamin überrascht.
    „Ich lese viel“, ließ sie ihn wissen, „am
liebsten über fremde Länder, die ich vermutlich nie mit eigenen Augen sehen
werde. Es ist eine der wenigen interessanten Beschäftigungen, mit denen ich
meine reichliche freie Zeit fülle.“
    Er nickte, obwohl er sich nicht vorstellen
konnte, wieso eine Frau, die das sorglose Leben der Oberschicht führte, nicht
damit zufrieden war, auf Teepartys oder Empfängen die neueste Mode vorzuführen
und ein bisschen Klatsch und Tratsch auszutauschen.
    „Mit der Piratenplage an den maghrebinischen
Küsten ist es glücklicherweise vorbei“, erläuterte er. „Teilweise kauften die
europäischen Regierungen die Fürsten dieser Länder, teilweise ließen wir unsere
Marine vor ihren Häfen auffahren. Der Anblick von mit Kanonen bestückten
Kriegsschiffen hat manchmal eine erstaunliche Wirkung. Wenn Sultan Abd Er
Rahman uns Europäern in seinem Land wirklich freie Hand lässt, können wir dort
lukrative Geschäfte machen.“
    „Also beraten die Mitglieder der
Dockgesellschaft, ob sie Kaufleute nach Marokko schicken?“
    „Ja, im Gespräch sind Tanger am Mittelmeer
und Mogador am Atlantik. Aber es dürfte schwierig sein, geeignete Männer zu
finden, die in einem unzivilisierten arabischen Land leben wollen.“
    „Mogador“, murmelte Sibylla. „Wie
geheimnisvoll!“
    Benjamin musterte sie heimlich. Schlank, mit
geradem Rücken und für seinen Geschmack fast ein wenig zu groß, saß sie auf der
Bank des Gigs. Sie hatte das Verdeck zurückgeklappt, so dass der Wind mit den
bunten Bändern ihres Strohhutes spielte und den spitzenbesetzten Volant ihres
Sommerkleides unter dem hellen Mantel bauschte. Blondes Haar wehte unter der
Hutkrempe hervor, und im Profil sah er ihre langen Wimpern und die schmale
Nase. Mit ihrer zarten weißen Haut und den vom Wind geröteten Wangen wirkte sie
wie das Idealbild der „englischen Rose“, einer Frau, die in ein nobles
Herrenhaus oder auf einen eleganten Ball gehörte und nicht in den lauten und
dreckigen Hafen von London.
    „Nun, Mr. Hopkins, wie fällt Ihr
Richterspruch aus, nachdem Sie mich so eingehend gemustert haben? Beurteilen
Sie mich mit dem Auge eines Kaufmanns, wenn er die Qualität seiner Rumfässer
und Kaffeesäcke einschätzt, oder sehen Sie eine Frau in mir, die einem hübsch
verpackten, aber überflüssigen Geschenk gleicht?“ Sie klang spöttisch, aber
ihre Augen

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