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Die Lokomotive (German Edition)

Die Lokomotive (German Edition)

Titel: Die Lokomotive (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thorsten Nesch
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Boden plötzlich steil ab. Ein Weiterkriechen ohne zu tauchen war unmöglich. Mit dem Feuerzeug kam das nicht in Frage. Ich zweifelte daran, ob ich es noch einmal anzünden konnte, wenn der Zündstein erst einmal nass war. Außerdem war eine mögliche Stelle zum Auftauchen nicht zu sehen, so sehr ich auch in alle Richtungen leuchtete.
      Wenn es hier tiefer wurde, dann konnte in dieser Richtung sehr gut das Meer liegen. Vielleicht war es einer dieser Priele, in denen das Wasser bei Ebbe abfloss und bei Flut kam. Ich könnte riskieren den Atem anzuhalten und der Vertiefung zu folgen. Wäre es zu weit, würde ich allerdings ertrinken. Das wäre ein Himmelfahrtskommando.   Das eiskalte Wasser reichte mir bis zur Hüfte. Wenn ich nicht tauchen wollte, dann blieb mir nur, in die Höhe zu klettern. Das bedeutete, nicht senkrecht nach oben zu steigen, sondern mich nur nicht dauernd wie ein Wurm über die flache Erde entlang zu winden.
      Sicherlich musste ich bis hierhin über das ein oder andere Hindernis klettern, nun aber musste ich einen Weg einschlagen, auf dem ich keinen Boden mehr unter den Füßen haben würde. Mit meiner gesunden Hand zog ich mich an einem Bündel Drähten empor und suchte gleichzeitig mit meinen Füßen einen Halt auf den schiefen Trümmerteilen. Das Wasser tropfte laut von meiner Hose auf die Kloake unter mir, es rauschte wie ein Wasserfall, bis nur noch einzelne Tropfen zu hören waren.
      Schief geduckt schaute ich mich um. Ich kauerte etwa einen halben Meter über dem Meeresspiegel. Rutschige Trümmerteile wackelten unter meinem Gewicht, während ich mich mit einer Hand an den Drähten festhielt. Der Ellbogen des anderen Arms mit dem Feuerzeug lehnte auf einer geborstenen Sitzbank. Das Feuerzeug in der Hand vereinfachte mein Unternehmen nicht, aber in totaler Finsternis hätte ich keine Chance gehabt, irgendeinen Weg zu finden.
      Als Nächstes hob ich mein Knie auf eine Stahlstange und zog das andere nach. Das schmale Stück Stahl schmerzte auf meinen Knochen, aber es ging nicht anders. Ich ließ die Drähte los und griff vor mir nach dem Gitter einer Neonlampe, verfehlte es, fiel vorwärts und prallte hart mit meinem Brustkorb auf einige ineinander verknotete Stangen. Meine Hand umkrampfte das Zippo, damit ich es nicht fallen ließ, gleichzeitig rang ich nach Luft, verlagerte das Gewicht, so dass ich mich nicht weiter mit den geprellten Rippen abstützen musste und wartete, bis ich wieder in der Lage war, weiter zu klettern.
      Von da an leuchtete ich jedes Mal mit dem Feuerzeug meinen nächsten Schritt aus, wählte Sprossen und Halterungen, schloss das Zippo, steckte es in meine Brusttasche und arbeitete mich aufgrund meiner Erinnerung vor. Mit beiden Händen konnte ich sicherer klettern, fand ich leichter Halt auf dem schmierigen Stahl, denn weitere Verletzungen wollte ich nicht riskieren. So ging es erst etwas nach oben, dann wieder nach unten, stets das Wasser vermeidend.
      Es war, als wäre ich selber ein Trümmerteil geworden oder ein Geschöpf, das sich perfekt an seine Umwelt angepasst hatte.
      Wieder holte ich das Zippo heraus, klappte es auf und drehte das Zündrad, und das Feuerzeug rutschte mir durch meine nassen, öligen Finger, titschte mit lodernder Flamme auf meinem Fuß auf, und trudelte dann durch das Trümmermikado, verschiedene Töne an unterschiedlichen Metallen erzeugend, bis ins Wasser, das einen Meter unter mir die Überreste des Zuges nach und nach verschlang.
      Dunkelheit.
      In meinem Kopf verblasste das Bild des fallenden Feuerzeuges mit seiner flackernden Flamme.
     
     
    Ich saß schief auf einer kantigen Platte, stützte mich mit den Füßen in der Dunkelheit ab und hatte mein Gesicht in den Händen begraben. Nichts zu sehen war besser als die Dunkelheit.
      Lediglich der visuelle Nachhall des fallenden Feuerzeuges flimmerte als orange Erinnerung vor meinem geistigen Auge, und ich mochte sie nicht loslassen.
      Nach einer Weile bildete ich mir das Orange nur noch ein. Es war, als spürte ich den Puls der Zeit in meinen Augen. Bald verschwand auch dieses Gefühl.
      Wieder, wie so oft zuvor, strömten auf mich die Geräusche ein, das Platschen seichter Wellen unter mir, das Ächzen und Brechen von Trümmerteilen irgendwo. Mit dem Feuerzeug, bei Licht, haben diese Geräusche leiser geklungen. Als ob meine Ohren in der Dunkelheit nackt waren. Manche Geräusche ließen sich erklären, andere nicht.  Ein hoher Pfeifton, wie der eines Wals, wanderte

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