Julia Extra Band 0302
PROLOG
Der Privatjet durchschnitt die winterliche Nacht Richtung Norden. Finster starrte der einsame Passagier durch das kleine Fenster in die Dunkelheit. Er wirkte nachdenklich, als ob er sich in Erinnerungen verlieren würde.
Zwei Jungen, sorglos, glücklich .
Brüder, die glaubten, alle Zeit der Welt zu haben.
Doch für einen war die Zeit bereits abgelaufen.
Ein scharfer Schmerz durchfuhr den Mann.
Andreas! Mein Bruder!
Aber Andreas war gegangen, für immer. Er hatte eine weinende Mutter und einen leidgeprüften Bruder zurückgelassen.
Und ein wundervolles Geschenk des Trostes …
Entschieden klingelte es an der Tür. Ann, die eben dabei war, das Chaos in der Küche zu beseitigen, warf einen Blick zu der Wiege, um sich zu vergewissern, dass Ari von dem Lärm nicht aufgewacht war. Dann lief sie zur Tür und schob sich dabei ein paar wirre Haarsträhnen aus dem Gesicht. Wer in aller Welt wollte denn um diese Uhrzeit etwas von ihr?
Doch kaum hatte sie die Tür geöffnet, wusste sie es. Groß und dunkel stand er da, mit versteinerter Miene. Am Bordstein parkte eine teure Limousine mit Chauffeur, die so gar nicht in dieses heruntergekommene Viertel passte.
„Miss Turner?“
Seine Stimme war tief, mit leichtem Akzent. Und sie klang kalt, hart.
Ann nickte knapp, während plötzlich Angst in ihr aufstieg.
„Ich heiße Nikos Theakis“, erklärte er. „Ich bin wegen des Jungen gekommen.“
Nikos Theakis. Der Mann, den sie am meisten auf der Welt hasste.
Wie erstarrt stand sie da, als er an ihr vorbei den engen Flur betrat und mit abfälligem Blick die ärmliche Einrichtung musterte. „Wo ist er?“
Anns Gedanken überschlugen sich, während sie nichts anderes tun konnte als ihn anzustarren. Einen großen schlanken Mann, gekleidet in einen edlen Designeranzug, das schwarze Haar streng zurückgekämmt. Sein Gesicht faszinierte sie, auch wenn es nicht so sein sollte.
Tiefdunkle Augen, eine aristokratische Nase, hohe Wangenknochen und ein wohlgeformter, sinnlicher Mund.
Sie schluckte. Wie kam sie nur darauf, diesen Mann so anzustarren? Als ob er nicht der wäre, als der er sich vorgestellt hatte.
Nikos Theakis – reich, mächtig, arrogant und rücksichtslos. Der Mann, der das Leben ihrer Schwester zerstört hatte.
Ann wusste, dass es so war, denn ihre Schwester hatte es ihr oft genug erzählt.
Carla war immer ein Sonnenschein gewesen, bezaubernd und sprühend vor Leben. Partys waren ihre Welt. Doch eines Tages war es vorbei damit gewesen. Und Carla hatte in Anns beengtem Apartment Unterschlupf gesucht, weil sie nicht wusste, wo sie sonst bleiben sollte. Verzweifelt und allein.
„Er hat gesagt, dass er verrückt nach mir ist. Jetzt bin ich schwanger, und er will mich nicht heiraten. Ich weiß genau, warum nicht.“ Tiefer Schmerz verzerrte ihre schönen Züge. „Wegen seines Bruders, dem allmächtigen Nikos Theakis. Er hat mich angesehen, als sei ich der letzte Dreck!“
Schockiert hatte Ann zugehört und versucht, sie zu beruhigen, indem sie erklärte, dass der Kindsvater sie finanziell unterstützen müsse …
„Ich will aber, dass Andreas mich heiratet!“
Die folgenden Monate waren nicht einfach gewesen. Carla war in eine bedrückende Lethargie versunken und hatte Ann verboten, mit dem Kindsvater Kontakt aufzunehmen, auch nicht, um zumindest den Unterhalt zu regeln.
„Andreas weiß, wo ich bin“, hatte sie teilnahmslos erklärt.
Doch Andreas war nicht gekommen, und auf Carlas ohnehin schwierige Schwangerschaft folgte eine noch schwierigere Geburt, nach der sie in eine postnatale Depression verfiel, die Ann auf das ablehnende Verhalten des Kindsvaters zurückführte. Ihr selbst war nun die Aufgabe zugefallen, sich um den kleinen Ari zu kümmern, denn Carla, die zu dem Baby scheinbar keine Bindung aufgebaut hatte, versank immer tiefer in ihrer Depression.
Die Heilung, als sie dann endlich kam, verlief dramatisch. Ein Klopfen an der Tür – ein junger Mann, hübsch, aber angespannt und unsicher.
„Ich bin Andreas Theakis“, sagte er zu Ann.
Mehr war nicht notwendig gewesen für Carla, um ihm überglücklich in die Arme zu sinken. Jetzt würde sich ihr Leben ändern, so hatte sie geglaubt. Die Wirklichkeit sah jedoch weniger romantisch aus, als Ann sich für ihre Schwester erhofft hatte. Denn Andreas wollte einen Vaterschaftstest machen lassen.
„Ich muss meinem Bruder einen Beweis liefern“, erklärte er Ann mit ängstlicher Stimme. Doch Carla war siegesgewiss.
„Ari sieht doch
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