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Die Luft, die uns traegt

Die Luft, die uns traegt

Titel: Die Luft, die uns traegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joyce Hinnefeld
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vor dem Büro des Rektors von Burnham stehen, »in voller Trauermontur«, wie er sagt, um ihm mitzuteilen, wo Addie nun begraben liegt, und ganz ruhig den Vorschlag zu machen, dass das College vielleicht doch wenigstens einen Teil von Burnham Ridge vor Bert Schafers Planierraupen bewahren könnte.
    »Er wollte ja nicht hören, als es um den Pappelwaldsänger
ging – oder auch um das Cuvier-Goldhähnchen«, sagt Tom schulterzuckend, den Mund voller Rührei. »Ich werde ihm sagen, dass er uns keine Wahl gelassen hat.«
    Scarlet streicht sich etwas von Addies Brombeermarmelade auf ihren Toast. »Du glaubst doch nicht etwa, sie hat wirklich ein Cuvier-Goldhähnchen da oben gesehen, oder?«, fragt sie.
    Er trinkt einen Schluck Kaffee und mustert sie über den Tassenrand hinweg, dann wischt er sich den Mund mit der Serviette ab und steht auf.
    »Ich bin Wissenschaftler und auch Optimist, Scarlet«, sagt er. »Was meinst du?« Er lächelt sie an – ein verschmitztes Lächeln, denkt sie, obwohl sie es nicht ganz deuten kann – und geht aus der Küche.
    Ein paar Minuten später, schon auf dem Weg aus dem Haus, gibt er ihr ein schwarzes Ringbuch. Es ist Addies letztes Feldtagebuch, stellt Scarlet fest, als sie es durchblättert, und Tom hat die hinterste beschriebene Seite markiert, die auf den 10. Mai 2001 datiert ist – ein Jahr vor ihrem Tod – und auf die Addie einen Vogel gezeichnet hat, der aussieht wie ein Cuvier-Goldhähnchen.

Neunzehn
    Als Tom im Büro des Rektors ankam, hob die Sekretärin die Augenbrauen, kommentierte aber sein Hemd und die Krawatte nicht. Sie hatte erst in diesem Jahr neu angefangen, und Tom kannte sie glücklicherweise nicht gut, weswegen sie keine Fragen über Addie stellte. Sofort eilte der Rektor aus seinem Zimmer, um ihn zu begrüßen, weshalb Tom kurz befürchtete, die Nachricht von ihrem Tod hätte ihn auf irgendeinem Weg bereits erreicht. Doch dann bemerkte er sein glückliches, freudestrahlendes Gesicht.
    »Tom, Tom, das ist ja perfektes Timing. Kommen Sie rein, kommen Sie rein. Wir müssen uns über etwas sehr Interessantes unterhalten!«
    Als Tom ins Büro trat, saß Lou dort vor dem Schreibtisch des Rektors, elegant und teuer gekleidet. Sie wirkte ziemlich gefasst und, dachte Tom, selbstzufriedener als gewöhnlich.
    »Hallo, Tom«, sagte sie. »Ich dachte mir schon, dass ich dich hier vielleicht treffe.«
    »Gut, gut.« Der Rektor brüllte fast. »Dann haben Sie beide das ja schon besprochen. Wunderbar.« Die ganze Zeit rannte er nervös im Zimmer herum, schob Stühle hin und her, sprang wieder auf, um Lou Kaffee nachzugießen. Normalerweise ein eher zurückhaltender Mann, wurde er regelrecht gesellig, wenn
ein finanzieller Gewinn für das College im Raum stand. Ich rieche einen neuen Sponsor, dachte Tom. Allerdings hatte er keine Vorstellung, neben welcher Größenordnung von Sponsor er saß.
    »Was besprochen?«, fragte Tom misstrauisch, wobei er nicht den Rektor, sondern Lou ansah.
    Zehn Minuten vor seinem Eintreffen, erfuhr Tom, hatte Lou dem Rektor ein Angebot für die einhundertzwanzig Hektar Land um das Collegegelände herum unterbreitet, und zwar eines, das mehr als doppelt so hoch war wie das von Bert Schafer. Es umfasste alles: Rising Valley im Nordosten, Sunday Woods im Süden sowie die gesamte dicht bewaldete Hügelkette von Burnham Ridge, die über den Nisky Creek und den Kleine Creek aufragte – eine Fläche, die sich im Norden bis zur Ost-West-Autobahn erstreckte und im Osten bis hin zum Delaware-Kanal. Lous Bedingungen für den Kauf waren einfach: Das Gebiet sollte als Naturpark und Tierschutzgebiet erhalten werden und auf unbegrenzte Dauer unberührt bleiben, nur einige Wanderpfade sollten angelegt und einige unauffällige Ansitze für Vogelbeobachter aufgestellt werden. Es sollte Addie Sturmer Kavanagh Preserve heißen.
    Nur eine Anregung, keine Forderung, war die Einrichtung eines neuen Fachbereichs für Umweltstudien mit einem Teil der Gelder. Der von Tom zu leiten wäre, falls er das wünschte. Dem Vorschlag des Rektors, einen weiteren Teil der Mittel für die Errichtung eines neuen Kunstinstituts, selbstverständlich ebenfalls nach Addie benannt, zu verwenden, stimmte Lou bereitwillig zu. Der Rektor war außer sich vor Freude und einer gewissen Ungläubigkeit. »Ich hätte heute Morgen niemals damit gerechnet, dass sich dieser Tag so entwickelt«, sagte er, als Lou Tom alles erklärt hatte.

    Tom, der Lous Plänen wortlos zugehört hatte, lachte nur. »Ich

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