Die Macht der Angst (German Edition)
besser.
»Hallo, Dad. Ich bin’s.«
»Edith! Wo steckst du?«, donnerte er.
Sie zögerte. »Es geht mir gut. Und dir selbst? Bist du noch im Krankenhaus?«
»Selbstverständlich nicht! Wie könnte ich dort bleiben, nachdem meine Tochter entführt wurde? Wo bist du? Ich werde auf der Stelle jemanden schicken, um dich abzuholen!«
Edie starrte aus dem Panoramafenster des Restaurants. Ein paar verirrte Sonnenstrahlen durchbohrten die Nebelfetzen, die über die Flanken der hohen, dunklen Berge drifteten. Grün und Grau vermischten sich zu einem wabernden Strudel, als sie die Tränen aus den Augen blinzelte. »Nein, Dad«, sagte sie ruhig. »Danke, aber mir geht es gut, wo ich bin.«
Sie konnte die Rädchen knirschen hören, als er sich seinen nächsten Schachzug überlegte. »Ronnie braucht dich, Edith. Sie hat die ganze Nacht geweint. Und sie isst nicht.«
Schuldgefühle einzuimpfen, war eine seiner Lieblingsmethoden, aber er hatte das schon früher bei ihr getan, um sie auf hinterhältige Weise zu manipulieren. Edie wäre nutzlos für Ronnie, wenn man sie mit Drogen vollpumpte und wegsperrte. »Ich brauche sie auch«, antwortete sie mit belegter Stimme. »Du bringst mich in eine unerträgliche Situation.«
»Ich? Ich tue das? In Gottes Namen, Edie! Provoziere mich bloß nicht! Ich kann nicht glauben, wie selbstsüchtig du bist!«
Damit kam seine Schimpftirade erst richtig in Fahrt, aber Kev gab Edie ein Zeichen, indem er sich mit dem Finger über die Kehle fuhr. Sie zwang sich, Charles’ zornigen Wortschwall zu unterbrechen. »Einen Moment, Dad. Ich muss dir etwas Dringendes sagen, bevor ich dieses Telefonat beende«, sagte sie. »Es geht um einen Entführungsversuch.«
»Einen Versuch? Dass ich nicht lache! Wie es scheint, ist er ihm perfekt gelungen!«
»Ich spreche nicht von Kev«, entgegnete sie. »Das ist keine Entführung. Ich bin einfach nur mit meinem neuen Freund zusammen. Wozu ich im Übrigen jedes Recht habe.«
»Es ist also nur eine Frage der Etikettierung?«
»Bitte, Dad, hör mir zu. Letzte Nacht wurden wir vor meiner Wohnung von drei Männern angegriffen! Einer von ihnen hielt mir ein Messer an die Kehle!«
Ihr Vater schwieg. »Verzeih mir, wenn ich dich auf das Offensichtliche hinweise«, sagte er schließlich in eisigem Ton. »Hättest du nicht bewusst meine Sicherheitsleute abgeschüttelt, wären sie vor Ort gewesen, um dich zu beschützen. Wie viele Male habe ich dir schon gesagt, wie gefährlich deine Wohngegend ist?«
»Können wir die Schelte überspringen und uns bitte konzentrieren? Sie haben mich nicht erwischt, aber ich wollte, dass du Bescheid weißt, weil deine Männer besonders wachsam sein müssen, um Ronnie zu beschützen.«
Ihr Vater schnalzte auf diese nachdenkliche Weise, die nie Gutes verhieß, mit der Zunge. »Ein Messer an deiner Kehle? Wie um alles in der Welt ist es dir gelungen zu entkommen?«
»Kev hat mich gerettet«, erklärte sie. »Er hat gegen sie gekämpft, und dann sind sie getürmt.«
»Ich verstehe. Ein Überraschungsangriff im Dunkeln von drei brutalen Profigangstern, und er hat sie ganz allein in die Flucht geschlagen? Sieh an, sieh an! Er scheint ja ein echter Krieger zu sein, hm?«
Edie verstand nicht, worauf ihr Vater hinauswollte. Wieso klang er so sarkastisch und überheblich? »Ja, das ist er allerdings!«, bestätigte sie hitzig.
»Aber er hat keinen Kratzer abbekommen, nehme ich an? Wirklich beeindruckend.«
»Dad, bitte. Es ist die Wahrheit. Ich versuche nicht –«
»Komm mir nicht mit der Wahrheit, Edith. Ich bin sicher, man hat dir sorgfältig jedes Wort eingepaukt, das du mir sagen sollst.«
»Nein! Das stimmt nicht! Ich wurde angegriffen, und es war kein Raubüberfall! Ich erzähle dir das, damit du dich vorsehen kannst! Dies ist ein reiner Höflichkeitsanruf, verstehst du?«
»Höflichkeit? Ha! Herrgott, Edith! Du bist so naiv, dass du ein Wechselbalg sein musst! Du hattest von diesen Angreifern nie etwas zu befürchten! Sie würden ihn getötet haben, wärst du tatsächlich in Gefahr gewesen!«, brüllte ihr Vater. »Sie hätten ihn erschossen! Wie dumm kannst du sein? Begreifst du denn nicht?«
»Aber … aber ich … aber er –«
»Das Ganze war inszeniert!«, tobte er. »Dieser Mann spielt mit dir! Und du machst es ihm unglaublich leicht! Es tut mir leid, wenn dich das trifft, Edith, aber hierbei geht es nicht um dich! Es geht darum, was er mir anzutun versucht! Er will mich für etwas bestrafen, das er als mein
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