Die Macht der Steine
gepackt, hielt ihn am ausgestreckten Arm und ritzte mehrmals mit einem Messer seine Brust ein. Jeshua richtete sich zu seiner vollen Größe auf und rannte mit wirbelndem Knüppel auf den Kreis zu.
Schwerter wurden gezückt, mattgrauer Stahl, mit eingetrockneten Blutflecken. Er blockte einen Hieb ab, schlug den Schwertarm mit dem Knüppel zur Seite und tötete den Mann mit einem Abwärtsschwinger.
»Aufhören, ihr gottverdammten Idioten!« rief da jemand. Einer der Jäger schrie quiekend auf, und die anderen ließen von Jeshua ab. Thinners Angreifer hatte dem Jungen den Kopf abgeschlagen. Ein grünes Rinnsal sickerte aus ihm heraus. Obwohl er enthauptet war, schrie Thinners Kopf in mehreren Sprachen wüste Beschimpfungen, einschließlich in Hebräisch und Jäger-Englisch. Die Angreifer ließen die Waffen fallen angesichts dieses eloquenten Monsters, verloren jegliche Gesichtsfarbe und rannten stolpernd davon. Der versteinerte Mann, der den Kopf hielt, ließ ihn fallen und kippte vornüber.
Jeshua hielt die Stellung, wobei der blutverschmierte Knüppel in seiner kraftlosen Hand zitterte.
»He«, meinte die erstickte Stimme im Gras. »Komm her und hilf mir!«
Jeshua ertastete sechs Punkte auf seiner Stirn und verband sie durch zwei sich schneidende Dreiecke. Er ging langsam durch das Gras.
»Bei allen Teufeln der Hölle«, rief Thinners Kopf, »ich fresse Gras. Heb mich auf!«
Zuerst fand er den Rumpf des Jungen. Er beugte sich hinunter und sah die rote, blutende Brust, das unter der Haut befindliche breiige Grün und die blassen Kolloidrippen des Brustkorbes. Noch tiefer umgaben glasige Technik und eine in filigranen Schläuchen pulsierende hellblaue Flüssigkeit glitzernde organische Schaltkreise und metallische Teile. Der in der Nähe stehende Jäger war von dem Schock ohnmächtig geworden.
Er fand Thinners Kopf mit dem Gesicht im Gras liegend. Die Kiefer des Schädels arbeiteten, und die Haare standen ihm zu Berge. »Heb mich auf«, verlangte der Kopf. »Meinetwegen auch an den Haaren, wenn du so empfindlich bist, aber heb mich auf.«
Jeshua bückte sich und packte den Kopf am Schopf. Thinner starrte ihn an; dabei tropfte ihm eine grüne Flüssigkeit aus der Nase, und er hatte Schaum vor den Lippen. Er blinzelte. »Wisch mir mit irgendwas den Mund ab.« Jeshua riß ein Grasbüschel aus und tat wie geheißen, wobei er zwar Schmutzspuren um den Mund hinterließ, das Gesicht aber weitgehend sauber bekam. Der Magen wollte sich ihm schier umstülpen, aber da Thinner offensichtlich weder ein Säugetier, noch ein sonstwie geartetes natürliches Lebewesen war, beherrschte er seine Reaktionen.
»Ich wollte, du hättest auf mich gehört«, rügte der Kopf.
»Du bist aus der Stadt«, unterstellte Jeshua und drehte den Kopf dabei in alle Richtungen.
»Hör auf damit – mir wird schwindlig. Bring mich nach Mandala.«
»Wird die Stadt mich überhaupt hineinlassen?«
»Ja, verdammt. Ich bin dein Passepartout.«
»Wenn du aus der Stadt bist, warum sollte dir dann daran gelegen sein, daß ich oder jemand anders dort Zugang erhält?«
»Bring mich hin, und du wirst es erfahren.«
Jeshua hielt den Kopf am ausgestreckten Arm und inspizierte ihn mit halbgeschlossenen Augen. Dann senkte er ihn langsam ab, musterte die gefliesten Gärten an der Peripherie und machte den ersten Schritt. Er blieb stehen und schüttelte sich.
»Beeil dich«, sagte der Kopf. »Ich laufe sonst noch aus.«
Jeshua erwartete jeden Moment, daß der Stadtrand aufsplitterte und seine Stacheln ausfuhr, aber nichts derartiges geschah. »Werde ich dem Mädchen begegnen?« fragte er.
»Du sollst gehen und keine Fragen stellen.«
Mit großen Augen und einer Heidenangst betrat Jeshua die Stadt Mandala.
»Na, das ging leichter, als du dir vorgestellt hast, nicht wahr?« fragte der Kopf.
Jeshua stand in einer gigantischen grünen Halle, die mit hellem, aber gefiltertem Licht gefüllt war, wie am Grunde eines flachen Meeres, und die von dickem grünem Glas begrenzt wurde, hinter dem botanische Flüssigkeiten pulsierten. Pyramidenförmige Pylonen und schlanke Bögen erhoben sich rings um ihn und liefen hoch oben in einem kreisförmigen schwarz-orangefarbenen Konstrukt zusammen, das Ähnlichkeit mit den Markierungen auf Thinners Brust aufwies. Die Pylonen stützten vier Ebenen, die sich zum Hof hin öffneten. Die Galerien waren leer.
»Du kannst mich hier ablegen«, sagte Thinner. »Ich bin defekt. Es wird jemand kommen und mich instandsetzen. Du
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