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Die Macht der Steine

Die Macht der Steine

Titel: Die Macht der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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kannst dich hier ein wenig umsehen, wenn du möchtest. Es wird dir nichts geschehen. Vielleicht triffst du das Mädchen.«
    Jeshua sah sich furchtsam um. »Wäre für keinen von uns gut«, lehnte er ab. »Ich habe Angst.«
    »Warum, weil du kein richtiger Mann bist?«
    Jeshua schlug den Kopf so hart wie einen Prellball auf den Boden, daß Thinner aufschrie.
    »Woher weißt du das?« fragte er laut und verzweifelt.
    »Jetzt hast du mich ganz verwirrt«, erwiderte der Kopf. »Was hatte ich noch gesagt?« Er unterbrach den Redefluß und schloß die Augen. Jeshua stupste ihn vorsichtig mit dem Stiefel an. Er richtete sich auf und suchte nach einem Fluchtpunkt. Nur weg von hier. Er war jetzt ein Sünder, ein Sünder durch Zorn und Scham. Die Stadt würde ihn gewaltsam entfernen. Vielleicht würde sie ihn auch brandmarken, wie Thinner früher schon angedeutet hatte. Jeshua sehnte sich nach der vertrauten Savanne und gegenständlichen Feinden wie den Stadt-Jägern.
    Das durch den Eingangsbogen fallende Sonnenlicht diente ihm als Wegweiser. Er rannte auf den glasierten Pfad zu, nur um zu sehen, daß er anstieg und ihm den Weg versperrte. Rasend vor Panik hob er den Knüppel und traktierte die Stacheln. Sie gaben unter den Hieben ein singendes Geräusch von sich, brachen jedoch nicht.
    »Bitte«, flehte er. »Laßt mich raus, laßt mich raus!«
    Er hörte ein Geräusch hinter sich und drehte sich um. Ein kleiner Karren auf Rädern ergriff Thinners Kopf mit zarten Mandibeln und hob die Arme, um das Orakel in einem Behälter auf seinem Rücken zu verstauen. Dann rollte er aus der Halle in einen Korridor.
    Jeshua straffte seine hängenden Schultern und pumpte die Brust auf. »Ich habe Angst!« tat er der Stadt lauthals kund. »Ich bin ein Sünder! Du willst mich nicht, also laß mich gehen!«
    Zitternd setzte er sich mit dem Knüppel in der Hand auf die glasierte Fläche. Er war intensiv mit dem Haß der Städte auf die Menschen konditioniert worden. Seine Atmung verlangsamte sich soweit, daß er wieder klar denken konnte, und die Angst legte sich. Warum hatte die Stadt ihm Zugang gewährt, sogar in der Begleitung von Thinner? Er stand auf und befestigte den Knüppel am Gürtel. Irgendwo mußte es eine Antwort geben. Er hatte nur wenig zu verlieren – höchstens ein Leben, das ihm nicht sonderlich viel Freude bereitete.
    Und die Stadt verfügte über die Möglichkeiten der Heilkunst, die den Expoliten versagt wurden.
    »Gut«, sagte er schließlich. »Ich bleibe. Ich rechne aber mit dem Schlimmsten.«
    Er ging durch die Halle und bog in einen Seitenkorridor ein. Leere Räume mit sechseckigen Türen warteten schweigend zu beiden Seiten. In einem breiten Raum, der einem Kirchenschiff ähnelte, stieß er auf einen Trinkwasserspender und labte sich daran. Dann verbrachte er einige Zeit damit, den Scheitelpunkt der konvergierenden Bögen zu studieren, welche die Gruft oben abstützten und fuhr mit den Fingern über die Nuten.
    Er betrat ein Vorzimmer mit einem weichen, couchähnlichen Sims, auf den er sich legte und die Decke anstarrte. Für kurze Zeit schlief er ein. Als er wieder aufwachte, waren sowohl er selbst als auch seine Kleidung gesäubert. Eine neue Garnitur war für ihn bereitgelegt worden – ein Khaki-Hemd nach Ibreem-Standard, eine kurze Hose und ein Flechtgürtel, der schöner gearbeitet war als der, den er trug. Der Knüppel war nicht entfernt worden. Er nahm ihn zur Hand. Man hatte daran manipuliert – und ihn kampfwertgesteigert. Er war jetzt griffiger und optimal ausbalanciert. Auf einem Tisch waren Früchte aufgetragen worden und etwas, das wie Brotsuppe aussah. Er war in jeder Hinsicht versorgt, besser, als er es von irgendeiner Stadt verdient hätte. Es vermittelte ihm fast den Mut zur Kühnheit. Er legte die zerlumpte Kleidung ab und probierte die neuen Sachen an. Sie hatten eine erstklassige Paßform, und er fühlte sich gleich reputierlicher. Seine Sandalen waren ausgebessert, aber nicht ersetzt worden. Sie waren bequem wie immer, jetzt aber noch robuster.
    »Wie kann ich mich hier einrichten?« fragte er die Wände. Sie blieben die Antwort schuldig. Er trank erneut von dem Wasser und setzte dann seinen Erkundungsgang fort.
    Der Grundriß von Mandalas unterster Ebene war vergleichsweise simpel. Sie beherbergte schwerpunktmäßig Handels- und Wirtschaftseinrichtungen, mit geräumigen Korridoren für Fahrzeugverkehr, große Lagerräume und Dutzende von Konferenzzimmern. Außerdem gab es Computerräume. Er

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