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Die Macht der Steine

Die Macht der Steine

Titel: Die Macht der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Gliedmaßen und zerquetschte Torsos auf. Bevor Jeshua noch etwas sagen konnte, eilte der Kleiderständer davon, und die Tür schloß sich hinter ihm.
    Alles, was er jetzt noch verspürte, war kreatürliche Angst. Er ging den Mittelgang entlang, wobei er sich nicht schlüssig war, ob er sich nun in einer Werkstatt oder einem Beinhaus befand. Wenn Thinner wirklich hier war, würde er Stunden brauchen, um ihn zu finden.
    Er schaute direkt geradeaus und blieb stehen. Da war jemand nicht in die Regale einsortiert. Die Einheit stand am anderen Ende des Raums, zu weit entfernt, als daß Jeshua irgendwelche Details hätte ausmachen können. Er wartete, aber die Gestalt bewegte sich nicht. Es war eine Pattsituation.
    Er machte den ersten Schritt. Die Figur hetzte wie ein Reh zur Seite. Instinktiv rannte er hinterher; als er jedoch das Ende des Gangs erreicht hatte, war das Wesen nicht mehr zu sehen.
    »Verstecken spielen«, murmelte er. »Um Gottes willen, Verstecken spielen.«
    Er rieb sich abwesend die Leistengegend und versuchte, den Strom der Erregung zu zügeln, der sich in Brust und Bauch ausbreitete. Seine Phantasien multiplizierten sich, und er beugte grunzend den Oberkörper und dann den Kopf nach vorne. Er zwang sich dazu, sich wieder aufzurichten, streckte die Arme aus und konzentrierte sich auf etwas Kontextunabhängiges.
    Er sah einen Kopf, der große Ähnlichkeit mit dem von Thinner hatte. Er war mit einer hinter dem Regal befindlichen Platine verdrahtet, und Flüssigkeiten strömten pulsierend in seinen Hals. Die Augen waren zwar geöffnet, aber glasig, und das Fleisch war leichenblaß. Jeshua streckte die Hand aus und berührte es. Es war kalt und leblos.
    Er unterzog andere Körper einer gründlicheren Inspektion. Die meisten waren nackt und vollständig bis ins kleinste Detail. Er zögerte und griff dann an die Genitalien eines Mannes. Das Fleisch war weich und schlaff. Ihn schauderte. Als ob sie sich verselbständigt hätten, wanderten seine Finger zum Venushügel eines Frauenkörpers. Er verzog das Gesicht, richtete sich auf und wischte in instinktivem Ekel die Hand an der Hose ab. Ein Zittern lief ihm durch den Rücken. Ihm war jetzt unheimlich, nachdem er die leblosen Gestalten berührt und gefühlt hatte, was anscheinend totes Fleisch war.
    Was machten sie hier? Weshalb produzierte Mandala Tausende von Cyborgs? Er überflog die mit Körpern angefüllten Regale in beiden Richtungen und erspähte im Hintergrund offene Türen. Vielleicht war das Mädchen – es mußte das Mädchen gewesen sein – durch eine dieser Türen gegangen.
    Er schritt die Regale ab. Ein Geruch nach gemähtem Gras und abgeknickten Schilfrohren, aus denen der Saft austrat, lag in der Luft. Hier und da roch es zudem nach frisch geschlachtetem Fleisch sowie nach Öl und Metall.
    Irgend etwas verursachte ein Geräusch. Er blieb stehen. Eines der Regale. Langsam und sorgfältig sichernd ging er einen Gang entlang, sah indessen nichts und vernahm nur das Pumpen von Flüssigkeiten in dünnen Röhren und das Klicken kleiner Ventile. Vielleicht tarnte das Mädchen sich als Cyborg. Er wußte das noch aus der Schule. Die Städte waren cybernetische Organismen.
    Er hörte jemanden weglaufen. Die Schritte entfernten sich von ihm, das Patschen bloßer Füße auf dem Boden. Mit gleichbleibendem Tempo schritt er die Reihen ab, inspizierte jeden Gang, nichts, rein gar nichts, allenthalben nur Stille! Das Mädchen befand sich am anderen Ende des Raums und lachte ihn aus. Ein Arm winkte. Dann war sie verschwunden.
    Er gelangte zu der Erkenntnis, daß es nicht angeraten sei, jemanden zu verfolgen, der sich in der Stadt besser auskannte als er. Sollte sie doch zu ihm kommen. Er verließ den Raum durch eine offene Tür.
    Eine draußen befindliche Galerie öffnete sich zu einem kleineren Schacht. Er war rot und hatte einen Durchmesser von nur fünfzig oder sechzig Fuß. Die Galerien waren von rechteckigen Türen gesäumt, die zwar geschlossen, aber nicht verschlossen waren. Schwungvoll öffnete er die drei Türen auf seiner Ebene. Jeder Raum war identisch eingerichtet – ein mit Staub angefüllter Schrank, zusammengefallenes und verrottendes Mobiliar, Leere und ein Geruch wie in einer alten Gruft. Staub driftete in seine Nase und löste einen Niesreiz aus. Er ging zur Galerie und der sechseckigen Tür zurück. Als er nach unten schaute, taumelte er und bekam einen Schweißausbruch. Der Anblick war schwindelerregend und klaustrophobisch.
    Eine singende

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