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Die Macht des Lichts

Die Macht des Lichts

Titel: Die Macht des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan , Brandon Sanderson
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hätte entkommen können, wenn sie es so gewollt hätte, aber sie blieb. Und indem sie blieb, untergrub sie Elaidas Autorität. Indem sie blieb, bewies sie, dass sich manche nicht beugten und den Untergang der Weißen Burg tatenlos akzeptierten. Diese Kerkerhaft bedeutete etwas.
    Diese in Gedanken wiederholten Worte halfen ihr, die Panik abzuwehren, die bei der Vorstellung aufkam, einen weiteren Tag in dieser Zelle zu verbringen. Was hätte sie nur ohne diese nächtlichen Träume getan, um den Verstand nicht zu verlieren? Wieder musste sie an den armen Rand denken, den man in eine Kiste gesperrt hatte. Nun teilten sie etwas, er und sie. Eine Verwandtschaft, die weit über die gemeinsame Kindheit in den Zwei Flüssen hinausging. Beide hatten sie Elaidas Bestrafungen erlitten. Und sie hatten keinen von ihnen gebrochen.
    Es gab nichts anderes zu tun, als zu warten. Gegen Mittag würde man die Tür öffnen und sie herauszerren, um sie zu schlagen. Die Prügel würde nicht Silviana verabreichen. Die Schläge auszuteilen betrachteten alle als Belohnung, eine Entschädigung dafür, dass die Roten Schwestern den ganzen Tag im Kerker sitzen und sie bewachen mussten.
    Nach den Prügeln würde man Egwene zurück in die Zelle stoßen und ihr eine Schale mit einem geschmacklosen Brei geben. Jeder Tag verlief gleich. Aber sie würde nicht nachgeben, vor allem nicht, solange sie die Nächte im Tel’aran’rhiod verbringen konnte. In gewisser Hinsicht waren sie jetzt ihre Tage, die sie frei und aktiv verbringen konnte, während das hier die Nächte in tatenloser Dunkelheit waren. Das redete sie sich zumindest ein.
    Der Morgen verging langsam. Schließlich klirrten eiserne Schlüssel, als einer von ihnen in das uralte Schloss gesteckt wurde. Die Tür öffnete sich, und vor ihr standen zwei Rote Schwestern, nur als Silhouetten auszumachen, denn das Licht war Egwene so fremd, dass sie kaum ihre Gesichtszüge erkennen konnte. Die Roten ergriffen sie grob an den Armen, obwohl sie sich nie wehrte. Sie zerrten sie aus der Zelle und stießen sie zu Boden. Egwene hörte den Riemen, als eine der Frauen ihn voller Vorfreude in die Hand klatschen ließ, und stählte sich gegen die Schläge. Die Schwestern würden sie lachen hören, genau wie an den Vortagen.
    »Wartet«, sagte eine Stimme.
    Die Arme, die Egwene hielten, wurden steif. Egwene runzelte die Stirn, die Wange gegen den kalten Boden gedrückt. Diese Stimme … das war Katerine.
    Langsam lockerten die Schwestern ihren Griff, dann zogen sie Egwene auf die Füße. Sie blinzelte gegen das grelle Licht der Lampen an und entdeckte Katerine ein Stück weit entfernt mit verschränkten Armen im Korridor stehen. »Sie soll freigelassen werden«, sagte die Rote und klang seltsam zufrieden.
    » Was?«, stieß eine von Egwenes Kerkerwärterinnen hervor. Als sich ihre Augen endlich an die Helligkeit gewöhnten, erkannte sie sie als die schlanke Barasine.
    »Die Amyrlin hat erkannt, dass sie die falsche Person bestraft«, sagte Katerine. »Es ist nicht allein die Schuld dieses … dieses Insekts von einer Novizin, sondern vor allem die Schuld der Frau, die sie manipuliert hat.«
    Egwene musterte Katerine. Und dann ergab alles einen Sinn. »Silviana«, sagte sie.
    »In der Tat«, erwiderte Katerine. »Wenn die Novizinnen außer Kontrolle sind, sollte man dann nicht die zur Verantwortung ziehen, die sie ausbilden soll?«
    Also hatte Elaida eingesehen, dass sie unmöglich beweisen konnte, dass Egwene eine Schattenfreundin war. Die Aufmerksamkeit auf Silviana zu lenken war ein schlauer Zug; bestrafte man Elaida, weil sie Egwene mit der Macht geschlagen hatte, und bestrafte man Silviana dann aber noch härter, weil sie zugelassen hatte, dass Egwene überhaupt außer Kontrolle geriet, würde das das Gesicht der Amyrlin wahren.
    »Ich bin der Meinung, dass die Amyrlin eine weise Entscheidung getroffen hat«, fuhr Katerine fort. »Egwene, Ihr werdet von jetzt an nur noch von der Oberin der Novizinnen … unterrichtet.«
    »Aber Silviana ist doch Euch zufolge diejenige, die versagt hat«, sagte Egwene verwirrt.
    »Nicht Silviana«, sagte Katerine, und ihre Selbstzufriedenheit trat noch stärker hervor. »Die neue Oberin der Novizinnen. «
    Egwene erwiderte ihren Blick. »Ah«, sagte sie. »Und Ihr glaubt, dass Ihr da Erfolg habt, wo Silviana gescheitert ist?«
    »Ihr werdet schon sehen.« Katerine wandte sich ab und setzte sich in Bewegung. »Bringt sie in ihr Quartier.«
    Egwene schüttelte den Kopf.

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