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Die Macht des Zweifels

Titel: Die Macht des Zweifels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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zwischen seinen Schuhen. »Ich werde nicht mehr hier sein, Nina.«
    Â»Du wirst … wie bitte?«
    Â»Ich gehe fort. Im Nordwesten, an der Pazifikküste, sind ein paar Stellen frei, und vielleicht suche ich mir da was.« Er holt tief Luft. »Da wollte ich schon immer mal hin. Nur eben nicht ohne dich.«
    Â»Patrick –«
    Unsagbar zärtlich küßt er mich auf die Stirn. »Du schaffst das schon«, murmelt er. »Genau wie früher.« Er schenkt mir ein trauriges Lächeln zum Abschied. Und dann geht er den Gang hinunter und läßt mich stehen, so daß ich allein meinen Weg zurückfinden muß.

    Die Toilettentür unten an der Treppe fliegt auf, und plötzlich steht Quentin Brown keine anderthalb Meter vor mir. »Mrs. Frost«, stottert er.
    Â»Ich finde, es wird langsam Zeit, daß Sie mich Nina nennen.« Es ist ein Verstoß gegen das Berufsethos, wenn er in Fishers Abwesenheit mit mir spricht, und das wissen wir beide. Doch selbst das erscheint mir mittlerweile nicht mehr ganz so tragisch. Als er nichts erwidert, will ich um ihn herumgehen. »Wenn Sie mich bitte entschuldigen würden, meine Familie wartet auf mich.«
    Â»Ich muß zugeben«, sagt Quentin Brown hinter mir her, »daß mich Ihre Entscheidung verblüfft hat.«
    Ich drehe mich um. »Dem Richter die Urteilsfindung zu überlassen?«
    Â»Ja. Ich weiß nicht, ob ich mich als Angeklagter darauf eingelassen hätte.«
    Ich schüttele den Kopf. »Wissen Sie, ich kann mir Sie einfach nicht als Angeklagten vorstellen.«
    Â»Könnten Sie sich vorstellen, daß ich Vater bin?«
    Das erstaunt mich. »Nein. Ich wußte gar nicht, daß Sie Familie haben.«
    Â»Einen Sohn. Sechzehn.« Er schiebt die Hände in die Taschen. »Ich weiß, ich weiß. Sie haben sich selbst so in die Vorstellung hineingesteigert, daß ich der skrupellose Schurke bin, daß es Ihnen schwerfällt, mir auch nur einen Hauch von Mitgefühl zuzusprechen.«
    Â»Na ja.« Ich zucke die Achseln. »Skrupelloser Schurke nicht gerade.«
    Â»Dann eben ein Fiesling?«
    Â»Das haben Sie gesagt, Kollege«, entgegne ich, und wir müssen beide schmunzeln.
    Â»Andererseits können Menschen einen immer wieder überraschen«, sinniert er. »Zum Beispiel eine Staatsanwältin, die einen Mord begeht. Oder ein stellvertretender Generalstaatsanwalt, der nachts am Haus einer Angeklagten vorbeifährt, nur um sich zu vergewissern, daß alles in Ordnung ist.«
    Ich schnaube. »Wenn Sie tatsächlich bei mir vorbeigefahren sind, dann nur um sich zu vergewissern, daß ich noch da war.«
    Â»Nina, haben Sie sich eigentlich nie gefragt, wer aus Ihrem Büro Ihnen den Laborbericht zugespielt hat?«
    Mir klappt der Unterkiefer runter. »Und übrigens«, sagt Quentin Brown, »mein Sohn heißt Gideon.«
    Leise pfeifend nickt er mir zu und trabt dann die Treppe hinauf.

    Im Gerichtssaal ist es so ruhig, daß ich Caleb hinter mir atmen hören kann. Auch das, was er mir zugeraunt hat, bevor wir hineingingen, hallt in der Stille nach: Ich bin stolz auf dich.
    Richter Neal räuspert sich und beginnt. »Die Beweise in diesem Fall belegen eindeutig, daß die Angeklagte Nina Frost am dreißigsten Oktober 2001 eine Handfeuerwaffe kaufte, sie verbarg und in einen Gerichtssaal in Biddeford schmuggelte. Ebenfalls zweifelsfrei bewiesen ist, daß sie sich Pater Szyszynski näherte und ihn absichtlich und wissentlich viermal in den Kopf schoß, was zu seinem Tod führte. Außerdem haben die vorgelegten Beweise ergeben, daß Nina Frost zum Zeitpunkt der Tat irrtümlich davon ausging, daß Pater Szyszynski ihren fünf Jahre alten Sohn sexuell mißbraucht hatte.«
    Ich neige den Kopf, jedes Wort eine Ohrfeige. »Was also konnte vor diesem Gericht nicht zweifelsfrei bewiesen werden?« fragt der Richter rhetorisch. »Vor allem die Behauptung der Angeklagten, sie sei zum Tatzeitpunkt unzurechnungsfähig gewesen. Zeugen haben ausgesagt, daß sie überlegt und methodisch gehandelt hat, um den Mann zu töten, der, wie sie glaubte, ihrem Kind ein Leid zugefügt hatte. Und die Angeklagte war eine erfahrene Staatsanwältin, die sehr genau wußte, daß jeder Mensch, der eines Verbrechens beschuldigt wird – Pater Szyszynski nicht ausgenommen –, bis zum Beweis seiner Schuld vor einem ordnungsgemäßen

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