Die Männer von Bravo Two Zero
Blick. Aber hinter diesem Gesicht eines Fußball-Rowdys steckte ein scharfer, analytischer Verstand. Wenn er nicht gerade Uniform trug, war er ein ausgezeichneter Kricket- und Rugbyspieler und ein echt starker Tänzer.
Als wir in Riad landeten, herrschte angenehmes
Wetter, typisch für diese Jahreszeit im Nahen Osten, aber wir hatten keine Zeit, uns in die Sonne zu legen. Getarnte Transportfahrzeuge warteten bereits neben der Rollbahn, und wir wurden in Windeseile in ein Lager gebracht, das weit von den übrigen Truppen der Alliierten entfernt lag.
Die Vorhut hatte alles getan, um unsere ersten drei Fragen ausreichend beantworten zu können, Fragen die man immer stellt, wenn man an einem neuen Ort
ankommt: Wo schlafe ich? Wo esse ich, und wo ist das Klo?
Die neue Heimat für unseren Trupp war ein Hangar,
etwa 100 Meter lang und 50 Meter breit. Dahinein steckte man 40 Mann und alle möglichen Vorräte und
Ausrüstungsgegenstände, samt Fahrzeugen, Waffen und 10
Munition. Überall lag stapelweise die Ausrüstung herum
– von Insektenschutzmitteln und Eßrationen bis zu Laser-Treffanzeigern und Kisten mit Sprengstoff. Wir mußten uns irgendwie hineinquetschen und so gut es ging
versuchen, uns einen eigenen kleinen Raum zu schaffen.
Meiner war begrenzt von mehreren großen Kisten, in denen sich Außenbordmotoren befanden. Ich stellte sie so auf, daß ich einen abgetrennten Platz hatte, den ich mit einer Plane abdeckte, um das Licht der starken
Bogenlampen abzuschirmen.
Der Hangar war wie ein Bienenstock mit all diesen
Verstecken, jedes mit einer eigenen Geräuschkulisse: BBC-Worldservice, Walkmen mit angeschlossenen
Lautsprechern, Folk, Rap und Heavy Metal. Es roch stark nach Diesel, Benzin und Autoabgasen. Ununterbrochen fuhren Fahrzeuge in der Halle aus und ein, weil einige Kameraden auf Erkundung in andere Lagerabschnitte
sausten, um zu sehen, was man dort organisieren konnte.
Und während sie unterwegs waren, wurde ihre
Ausrüstung von den Kumpels untersucht. »Man braucht sich nur umzudrehen und schon ist man alles los«, war die gängige Redewendung. »Paß auf deine Klamotten
auf« lautet das oberste Gesetz unter Soldaten. Wenn du zu lange wegbleibst, ist anschließend dein Stuhl und manchmal sogar dein Bett verschwunden.
Überall im Hangar wurde gekocht. Stan hatte ein
Päckchen Orangentee mitgebracht, und Dinger und ich gingen mit unseren leeren Bechern zu ihm und setzten uns auf sein Bett.
»Tee, Boy«, forderte Dinger und streckte ihm seine 11
Tasse entgegen.
»Jawohl, Sir«, antwortete Stan.
Stan war als Sohn einer schwedischen Mutter und
eines schottischen Vaters in Südafrika geboren und nach Rhodesien gezogen, kurz bevor dort die Unabhängigkeit erklärt wurde. Den darauffolgenden Guerillakrieg hatte er hautnah mitbekommen, und als seine Familie daraufhin nach Australien zog, trat er der TA bei [Territorial Army
– Territorialarmee, Landwehr] . Er bestand sein Arztexamen, vermißte aber das aktive Leben da draußen zu sehr. Daher kündigte er in seinem ersten Jahr als Mediziner und ging nach Großbritannien, um sich dort einem Regiment anzuschließen. Anschließend verbrachte er ein hartes Jahr in Wales, wo er für die
Auswahlprüfung trainierte. Allem Anschein nach hatte er die mit Glanz und Gloria bestanden.
Abgesehen davon, daß er bei Frauen sehr gut ankam, war das Bemerkenswerte und Überraschendste an Stan sein Geschmack in Sachen Kleidung. Er hatte nämlich absolut keinen. Ehe die Abteilung sich seiner annahm, war er immer nur in Safari-Outfits aus Trevira zu sehen, bei denen die Hosen kurz oberhalb der Knöchel endeten.
Einmal tauchte er auf einer ziemlich eleganten Party in einem schlechtsitzenden Karoanzug mit Röhrenhosen
auf. Er war viel herumgekommen und hatte offensichtlich überall Freundinnen. Aus der ganzen Welt bekam er
Heiratsanträge, aber diese Briefe blieben unbeantwortet.
Stan guckte einfach nie in seinen Briefkasten. Insgesamt war er ein sehr zugänglicher, freundlicher Typ in den Dreißigern, den nichts aus der Ruhe bringen konnte.
12
Ohne die Truppe wäre er wohl Yuppie oder Geheimagent geworden – allerdings einer im Treviraanzug.
Die meisten Kumpel bringen tubenweise Senf oder
Currypaste mit, um die Rationen etwas aufzupeppen, und überall, wo nun etwas Zusätzliches zusammengebrutzelt wurde, stiegen verlockende Düfte auf. Ich spazierte umher und probierte ein paar Gerichte aus. Jeder hat hier für alle Gelegenheiten einen
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