Die Männer von Bravo Two Zero
»Wanderlöffel« dabei. Die ungeschriebene Regel lautet, daß der, dem die Dose gehört oder der die Sache kocht, zuerst zulangen darf; der Rest wird aufgeteilt. Man taucht seinen Löffel ein und nimmt eine Portion. Mit einem großen Löffel bekommt man natürlich aus einem Kochgeschirr mehr heraus, aber wenn er zu groß ist – etwa ein Holzlöffel –, paßt er in keine Dose. Die Suche nach dem perfekten Wanderlöffel ist noch nicht beendet.
Wir spielten einander jede Menge Streiche. Wenn
einem die Musik nicht gefiel, die jemand hörte, schlich man sich heran, wenn der Betreffende gerade nicht da war, und ersetzte die funktionierenden Batterien durch leere. Als Mark seinen Rucksack öffnete, fand er darin einen 10 Kilogramm schweren Stein, den er die ganze Zeit mitgeschleppt hatte. Zu Unrecht hatte er mich in Verdacht und tauschte meine Zahnpasta gegen
Sonnencreme aus. Das nächste Zähneputzen bekam mir schlecht.
Mark hatte ich 1989 in Brisbane kennengelernt, als einige von uns bei der australischen SAS [Special Air Service] zu Gast waren. Er spielte in einem Rugbymatch gegen uns und war der Held des Tages, denn mit seinen 13
baumstammdicken Beinen hatte er die Kraft, alle Punkte für seine Seite zu erzielen. Das war das erste Mal, daß unsere Abteilungsmannschaft geschlagen wurde, und
dafür haßte ich jeden Zentimeter von ihm. Im Jahr darauf trafen wir uns wieder. Das war beim Auswahltest, und als ich ihn sah, hatte er gerade den Achtmeilenlauf mit voller Ausrüstung hinter sich.
»Leg ein gutes Wort für mich ein«, grinste er, als er mich erkannte. »Ihr könnt einen verflucht guten Stürmer gebrauchen.«
Mark bestand den Test und kam kurz vor der Abreise an den Golf zur Abteilung.
»Verflucht gut, hier zu sein, Junge«, sagte er, als er in mein Zimmer kam, um mir die Hand zu schütteln.
Ich hatte vergessen, daß es im Wortschatz eines Kiwis nur ein einziges verfluchtes Adjektiv gab.
Die Atmosphäre in unserem Hangar war munter und
freundlich. Seit dem Zweiten Weltkrieg war das
Regiment nicht mehr so geballt aufgetreten. Es war wunderbar, mit so vielen Kameraden zusammenzusein.
Wir arbeiten sonst oft in kleinen, getarnten Gruppen, aber hier war Gelegenheit, ganz offen als größere Einheit zu operieren. Wir hatten noch keine Instruktionen erhalten, spürten aber in den Knochen, daß dieser Krieg uns eine ausgezeichnete Chance bieten würde, »Feldarbeit« zu tun
– klassische SAS-Aufgaben hinter den feindlichen
Linien. Mit diesem Ziel hatte David Stirling das
Regiment gegründet, und jetzt, fast 50 Jahre später, standen wir einmal genau da, wo wir angefangen hatten.
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Soweit ich das beurteilen konnte, waren die größten Hindernisse im Irak vermutlich der Feind und die
Logistik – daß uns die Munition oder die Wasservorräte ausgingen. Ich fühlte mich wie ein Maurer, der sein ganzes Leben nur Bungalows zusammengeschustert hat und dem nun jemand die Chance gibt, einen
Wolkenkratzer zu bauen.
Wir hatten noch keine Ahnung, was für uns vorgesehen war, daher verbrachten wir die nächsten Tage damit, uns auf alles und jedes vorzubereiten, von Zielattacken bis zum Aufstellen von Beobachtungsposten. Die
aufregenden Sachen sind ja schön und gut – Abseilen, Klettern, von Gebäuden springen –, aber eigentlich geht es bei der Spezialeinheit vorwiegend um Gründlichkeit und Präzision. Das wirkliche Motto der SAS lautet nicht:
»Wer wagt, gewinnt«, sondern »Prüfe und teste, und dann prüfe und teste noch mal.«
Ein paar mußten auf die Schnelle ihre Fertigkeiten im Umgang mit Sprengstoff, Fahrzeugen und Kartenlesen unter Wüstenbedingungen wieder auffrischen. Wir
zerrten auch die schweren Waffen hervor. Mit einigen, wie dem schweren MG 12,7 mm, hatte ich seit zwei
Jahren nicht mehr geschossen. Wir veranstalteten
Übungsstunden, die immer derjenige übernahm, der sich am besten auskannte – und das konnte mal der
Hauptfeldwebel sein, mal der Neuling in der Abteilung.
Es gab Scud-Angriffe, daher waren alle scharf darauf, die Übungen zur ABC-Abwehr [bei atomarer, biologischer und chemischer Kriegsführung] zu wiederholen, die sie 15
seit dem Verlassen ihrer alten Einheiten nicht mehr gemacht hatten. Das einzige Problem war, daß Pete, der Ausbilder aus unserer Gebirgsjäger-Truppe, nicht nur einen starken schottischen Akzent hatte, sondern
außerdem seine verbale Abfeuerung auf Automatik
gestellt hatte.
Wir gaben uns alle Mühe, mitzubekommen, was er
wollte, aber nach
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