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Die Männer von Bravo Two Zero

Die Männer von Bravo Two Zero

Titel: Die Männer von Bravo Two Zero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy NcNab
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wir sollten weglaufen; dann sind sie einfach abgeflogen und haben uns
    zurückgelassen.« Ich spielte den verwirrten
    Schwachkopf, den verängstigten Soldaten, den man im Stich gelassen hatte. »Ich bin nur für Erste Hilfe zuständig, alles andere interessiert mich nicht. Ich versteh’ nichts davon. Ich verarzte nur verwundete Piloten.«
    »Wie viele waren in dem Hubschrauber?« versuchte er es erneut.
    »Ich bin nicht ganz sicher. Es war Nacht.«
    »Andy, was ist los? Wir haben dir eine Chance
    299
    gegeben. Hältst du uns für Idioten? In den letzten Tagen sind viele Menschen getötet worden, und wir wollen wissen, was passiert ist.«
    Zum erstenmal sprach er von Verlusten. Ich hatte
    damit gerechnet, doch ich wollte nichts davon hören.
    »Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
    »Wir möchten wissen, wer das getan hat. Warst du
    es?«
    »Ich war es nicht. Ich weiß überhaupt nicht, was los ist.«
    »Du mußt uns eine Chance geben. Hör zu, nur damit du siehst, daß wir dir wirklich helfen wollen: Du sagst uns, wie deine Mutter und dein Vater heißen, und wir schreiben ihnen, daß es dir gutgeht. Du schreibst ihnen einen Brief und adressierst ihn, und wir schicken ihn ab.«
    Genau auf diese Situation wirst du in der Ausbildung vorbereitet. Du lernst, niemals irgend etwas zu
    unterschreiben. Das kommt noch aus der Zeit des
    Vietnam-Krieges, wo Leute arglos irgendwelche
    Schriftstücke unterzeichnet hatten, und ehe sie sich’s versahen, wurde in der internationalen Presse behauptet, sie hätten ein ganzes Dorf mit vielen Kindern
    abgeschlachtet.
    Ich wußte, sie erzählten Blödsinn. Sie hatten nie im Leben die Absicht, einen Brief nach Peckham zu
    schicken. Das war ein Märchen, aber ich konnte doch nicht einfach sagen: Leck mich doch, du Arsch. Ich mußte irgendwie drumrum kommen.
    »Mein Vater ist vor Jahren gestorben«, sagte ich.
    »Meine Mutter ist mit einem Amerikaner weggezogen, 300
    der in London gearbeitet hat. Sie lebt jetzt irgendwo in Amerika. Ich habe keine Eltern mehr, das ist einer der Gründe, warum ich in der Armee bin. Auch sonst habe ich keine engen Verwandten.«
    »Wo hat er in London gearbeitet, dieser Amerikaner?«
    »Wimbledon.«
    Noch eine klassische Strategie. Sie wollten mich dazu bringen, ihnen mein Herz auszuschütten, und alles würde nur so aus mir heraussprudeln. Das alles war mir schon aus speziellen Übungen während der Ausbildung
    bekannt, wo wir auf Flucht und Gefangenschaft
    vorbereitet wurden.
    »Was genau hat er gemacht?«
    »Ich weiß nicht, da habe ich schon nicht mehr zu
    Hause gewohnt. Ich hatte große Probleme mit meiner Familie.«
    »Hast du Geschwister?«
    »Nein.«
    Ich wollte meine Lügen auf Wahrheiten aufbauen.
    Wenn du etwas weißt und es der Wahrheit entspricht, sind die Aussichten besser, daß du dich daran erinnerst.
    Und es konnte sein, daß sie es überprüften und
    herausbekamen, daß du die Wahrheit sagst, und nicht weiter nachfragten. Ich dachte an einen meiner Freunde, dessen familiäre Situation so aussah. Als er 13 war, starb sein Vater. Seine Mutter lernte einen Amerikaner kennen, wollte nichts mehr mit ihrem Sohn zu tun haben und haute ab in die Staaten. Ich fand, das klang ganz
    überzeugend.
    Ich ließ mir Zeit. Ich sprach schleppend, sabberte noch 301
    immer, konnte nicht richtig reden.
    »Hast du Schmerzen, Andy? Hilf uns, und alles kommt wieder in Ordnung. Wir lassen dich ärztlich versorgen.
    Los, erzähl uns mehr.«
    »Mehr weiß ich nicht.«
    Dann wieder ein Klassiker. Er mußte das Handbuch
    gründlich studiert haben.
    »Unterschreib dieses Blatt Papier, Andy. Wir wollen deiner Familie nur beweisen, daß du noch am Leben bist.
    Wir werden versuchen, deine Mutter in Amerika
    ausfindig zu machen. Wir haben Beziehungen dorthin.
    Wir brauchen nur deine Unterschrift, damit sie weiß, daß du okay bist. Und so können wir auch dem Roten Kreuz beweisen, daß du noch lebst und nicht tot in der Wüste liegst und von wilden Tieren aufgefressen wirst. Überleg doch mal, Andy. Wenn du das hier unterschreibst, und wir damit zum Roten Kreuz gehen, können wir dich gar nicht mehr töten.«
    Ich konnte kaum glauben, daß mir tatsächlich jemand mit dieser blöden Masche kam. Ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen. »Ich habe keine Adressen, ich habe keine familiären Kontakte.«
    Man konnte eine erfundene Adresse angeben oder eine richtige Adresse, für den Fall, daß sie sie überprüfen.
    Doch dann wäre es immerhin möglich, daß Mrs. Mills aus der

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