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Die Männer von Bravo Two Zero

Die Männer von Bravo Two Zero

Titel: Die Männer von Bravo Two Zero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy NcNab
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wie ich da zusammengesackt auf dem Stuhl saß.
    Meine Bewegungskoordination war völlig dahin. Ich
    konnte nicht einmal mehr meine Beine zusammenhalten.
    Ich muß ausgesehen haben wie Dingers Ebenbild.
    Es trat eine lange Stille ein.
    Alle schlurften herum und ließen mich in Ruhe über mein Schicksal nachgrübeln. Wie lange würde ich das noch durchhalten? Würden sie mich hier zu Tode treten?
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    Wieder wurde viel geseufzt und mit der Zunge
    geschnalzt.
    »Für wen machst du das, Andy? Für dein Land? Dein
    Land will nichts von dir wissen. Deinem Land bist du egal. Die einzigen, die sich wirklich Sorgen machen werden, sind deine Eltern, deine Familie. Wir wollen keinen Krieg. Bush, Mitterrand, Thatcher, Major wollen ihn. Die sitzen schön zu Hause und tun nichts. Du bist hier. Du bist es, der leiden wird, nicht sie. Sie
    verschwenden keinen Gedanken an dich.
    Wir haben seit vielen Jahren Krieg. Unsere Familien haben viel gelitten. Wir sind keine Barbaren, ihr seid es, die unserem Land den Krieg bringen. Deine Lage ist einfach traurig. Wieso hilfst du uns nicht? Wieso nimmst du das alles hier auf dich? Wieso müssen wir dir das alles antun?«
    Ich antwortete nicht. Ich hielt einfach den Kopf
    gesenkt. Mein Plan war, ihnen nicht gleich die
    Tarngeschichte aufzutischen, denn dann haben sie dich.
    Ich versuchte, den Anschein zu erwecken, als wäre ich bereit, mit den Großen Vier rauszurücken, und damit basta. Ich würde ein paar taktische Fragen beantworten und dann mit meiner Tarngeschichte anfangen.
    Sie sprachen jetzt leise miteinander in einem, soweit ich beurteilen konnte, recht gebildeten Arabisch. Irgend jemand machte Notizen.
    Daß geschrieben wurde, war ein gutes Zeichen. Es ließ darauf hoffen, daß nicht alle völlig durchgedreht waren und einfach nur aus mir rausholen wollten, was sie konnten, um mich dann umzubringen. Es sah so aus, als 294
    ob sie einen Grund hatten, mich nicht zu erschießen.
    Hatten sie vielleicht Befehl, uns am Leben zu lassen? Der Gedanke, daß vielleicht irgendwo an übergeordneter Stelle jemand saß, der die Fäden in der Hand hielt, gab mir ein Gefühl von Sicherheit. Mag sein, meldete sich die andere Seite meines Gehirns, aber es geht mit dir bergab, und je länger sich das hier noch hinzieht, desto geringer wird deine Chance zu fliehen. Die Flucht muß für dich absolute Priorität haben. Du weißt nicht, wann die Gelegenheit kommen wird, aber dann mußt du bereit
    sein. Carpe diem! Du mußt den Augenblick nutzen, doch je länger du in Gefangenschaft bist, desto schwieriger wird es.
    Ich dachte an Dinger. Ich wußte, er hätte den ganzen Quatsch über Tel Aviv nicht mitgemacht. Er hätte getan, was er konnte, und wenn er gemerkt hätte, daß er
    körperlich am Ende war und zu Tode getreten wurde, wäre er mit der Tarngeschichte rausgerückt.
    Mir kam der Gedanke, daß ich mich vielleicht besser fühlen würde, wenn ich mir anschauen würde, wie es um mich herum aussah. Ich hob den Kopf und öffnete die Augen. Die Jalousien waren heruntergelassen, doch ein oder zwei dünne Sonnenstrahlen schienen hindurch.
    Alles lag in Dämmerlicht und Halbschatten.
    Der Raum war sehr groß, zirka zwölf mal sechs Meter.
    Ich saß an einer Seite des Rechtecks. Ich konnte keine Tür sehen, also mußte sie hinter mir sein. Die Offiziere waren auf der anderen Seite, mir gegenüber. Sie waren zu acht oder neunt und rauchten alle. Rauchschwaden
    hingen unter der Decke, stellenweise von den
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    Sonnenstrahlen beleuchtet, die durch die Jalousien drangen.
    In der Mitte des Raumes stand ein großer Schreibtisch mit zwei Telefonen und Papierstapeln, Büchern und
    sonstigem alltäglichem Kram. Ein großer lederner
    Chefsessel war leer. Dahinter war das weltweit größte Saddam-Bild zu sehen, mit Uniformmütze,
    ordenbehangen und lächelnd. Ich vermutete, es war das Büro des hiesigen Kommandeurs.
    An der Wand hingen allgemeine Mitteilungen. In der Mitte des Linoleumbodens lag ein großer Perserteppich, der bis unter den Schreibtisch reichte. Links, dem Schreibtisch gegenüber, stand eine große Couch.
    Ringsum an den übrigen Wänden standen stapelbare
    Plastikstühle. Meiner, der Gästestuhl, kam mir vor wie ein gepolsterter Eßzimmerstuhl aus Plastik.
    Wieder Schnalzer und Seufzer. Die Männer redeten
    untereinander, als wäre ich gar nicht da und als wäre das alles ganz normal. Ich wiegte den Kopf hin und her, und Blut und Rotz tropften mir vom Kinn. Ich wußte nicht, wie lange ich die höllischen

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