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Die Männer von Bravo Two Zero

Die Männer von Bravo Two Zero

Titel: Die Männer von Bravo Two Zero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy McNab
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packte sie um Mitternacht warm ein, legte sie in den Kinderwagen, und wir gingen bis sechs Uhr morgens auf der Uferpromenade spazieren. Sie schlief nach der ersten halben Stunde ein, und ich schaute mir die ganze Zeit über ihr hübsches kleines Gesicht an und schnalzte beruhigend mit der Zunge wie eine Glucke. Als wir zum Haus zurückkamen, wurde sie wach. Also legte ich sie ins Auto, und wir fuhren in der Gegend herum. Ich blickte immer wieder nach hinten, um zu sehen, ob es ihr auch gutging. Sie hatte ängstliche, große blaue Augen, die mich aus all den Wolldecken unter dem Kindermützchen anblickten. Es war eine wunderschöne Zeit. Kurz darauf mußte ich wieder weg, und in den nächsten zwei Jahren war ich insgesamt nur zwölf Wochen mit ihr zusammen.
    Draußen waren Geräusche zu hören. Jeden Moment würde jemand in meine kleine Traumwelt einbrechen. Ich bekam Angst. Tauchten sie auf, um mich erneut zu prügeln? Nach dem kurzen Frieden war es ein schreckliches, beunruhigendes Gefühl, eine entsetzliche Angst davor, daß die eigene Welt zusammenbricht. Ich senkte den Kopf und spannte die steifen, wunden Muskeln an. Mist, dachte ich, sie haben doch ihren Spaß gehabt, wieso können sie mich nicht in Ruhe lassen?
    Es zog, als die Tür aufging. Ich blickte auf und sah einen Mann im Raum stehen. Er war Mitte 50 und nicht größer als einssechzig, mit einem dicken Bauch unter seinem langen Kaftan. Er trug einen gepflegten Schnurrbart, und sein rabenschwarzes Haar war nach hinten gekämmt. Er hatte manikürte Fingernägel, und seine Zähne blitzten, als das Licht darauffiel. Er redete wütend auf arabisch auf mich ein. Die zwei Wachen, die mit ihm hereingekommen waren, setzten sich auf eins der Betten, rauchten und plauderten, paßten aber dabei auf.
    Der Mann trug eine Pistole im Gürtel, die ich zunächst kaum wahrnahm, weil hier praktisch jeder bewaffnet war. Er stand über den Paraffinofen gebeugt, brüllte und gestikulierte. Im Schein des Ofens unter ihm sah sein Gesicht aus wie ein Halloweengespenst mit Dreifachkinn.
    Er kam zu mir und packte mein Gesicht. Er quetschte meinen Kiefer mit der Hand. Die zertrümmerten Zähne taten höllisch weh. Ich stöhnte und schloß die Augen. Ich wollte gar nicht wissen, was vor sich ging. Sein Atem roch nach scharf gewürztem Essen. Er öffnete mit Daumen und Zeigefinger meine Augen. Was zum Teufel hatte er vor?
    Er wechselte ein paar Worte mit den Wachen, sehr schnell und aggressiv, und schlug mir ein paarmal ins Gesicht. Ich hatte keine Ahnung, was er wollte. Dann trat er ein Stück zurück und zog eine russische Pistole hervor.
    Das ist ja alles gut und schön hier, dachte ich, aber was soll der Quatsch? Dann richtete er die Waffe auf mich, spannte aber nicht den Hahn.
    Bluffte er vielleicht?
    Bei einer Pistole russischer Bauart bleibt der Hahn hinten, wenn man sie spannt - d. h. eine Patrone in die Kammer lädt. Wenn man abdrückt, gibt sie einen Schuß ab und lädt selbsttätig nach, wobei der Hahn wieder hinten bleibt. Wenn man nicht schießen möchte, sichert man die Waffe. Dann geht der Hahn nach vorn, wird aber durch die Sicherung kurz vor dem Aufschlag gestoppt. Bei einigen halbautomatischen Pistolen ist das anders. Wenn diese Waffen gesichert sind, ist der Hahn hinten arretiert.
    Ich sah ängstlich nach, ob der Hahn hinten war. Falls ja, wußte ich, daß er nicht bluffte und daß er, wenn er nervös war, aus Versehen einen Schuß abgeben konnte, der mich tötete. Ich blickte in sein Gesicht. Sein Ausdruck war sehr ernst, und Tränen stiegen ihm in die Augen. Ich konnte sie glänzen sehen. Unsere Blicke trafen sich. Er fing an zu weinen, und die Pistole zitterte in seiner Hand.
    Die Wachen würden doch wohl nicht zulassen, daß er mich in ihrer hübschen sauberen Baracke erschoß? Aber seine Augen ließen keinen Zweifel daran. Er war zweifellos entschlossen abzudrücken. Das war hier alles nicht offiziell. Es sah aus wie eine spontane Handlung. Aber der Bursche war ziemlich schlecht drauf, also auch wenn es inoffiziell war, was spielte das noch für eine Rolle? Er würde es ohnehin tun. Es konnte sein, daß ich hier im Affekt und nicht aufgrund eines irgendwo getroffenen Befehls abgeknallt wurde, und das machte mir angst. Der Typ erweckte wirklich den Eindruck, als ob er abdrücken würde, und ich konnte nichts dagegen tun.
    Also los, du Arschloch, bringen wir es endlich hinter uns.
    Die Wachen schienen plötzlich zu kapieren, was vor sich ging. Sie sprangen auf,

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