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Die Männer von Bravo Two Zero

Die Männer von Bravo Two Zero

Titel: Die Männer von Bravo Two Zero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy McNab
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zurück zum Lager fuhren. Sie hatten einen schönen Ausflug hinter sich und überließen mich mir selbst. Ich hockte auf allen vieren in einer Ecke des Kleinlasters, blutend und keuchend, während sie rauchten und lachten und von der Straßenschlacht erzählten. Ich war froh, daß es vorüber war und man mich nicht erschossen hatte.
    Es war fast Abend, als wir wieder ins Lager fuhren. Sie machten sich erst gar nicht die Mühe, mir wieder die Augen zu verbinden, bevor sie mich zu einem einstöckigen Barackenblock schleppten.
    Rundherum an den Wänden des Raumes standen fünf Betten. Die Burschen hatten anscheinend weder Spinde noch irgendwelche persönlichen Sachen. Sie hatten nur die Betten, auf denen Decken lagen - handelsübliche weiche Decken mit Tigermotiven und merkwürdigen, schönen Mustern. Auf den Decken lagen ihre Gürteltaschen. Allem Anschein nach waren sie nur vorübergehend in dem Lager stationiert.
    Das einzige Licht kam von einem Paraffinheizgerät in der Mitte des Raumes, und in seinem flackernden Schein huschten Schatten über die Wände. Es war angenehm warm; die Art von Wärme, die einen augenblicklich müde und schläfrig macht. Es war eine Wärme, die ich kannte. Sogar die Schatten waren vertraut. Ein schönes, behagliches, sicheres Gefühl durchflutete mich. Ich war wieder bei meiner Tante Nell in Catford, die ich als Kind immer gern besucht hatte. Sie wohnte in einem großen Haus mit drei Schlafzimmern und hatte einen kleinen
    Pensionsbetrieb. Im Vergleich zu der Wohnung meiner Eltern kam mir ihr Haus wie ein Hotel vor. Abends stellte Tante Nell den Paraffinheizofen in mein Zimmer, damit es schön warm wurde. Ich lag mit meinen neun Jahren zufrieden und glücklich im Bett, schaute zu, wie die Schatten auf der Tapete tanzten, und freute mich auf das Essen am nächsten Tag. Tante Nell nahm gute Vollmilch für die Cornflakes und nicht mit Wasser verdünnte Kondensmilch, wie ich es von zu Hause gewohnt war, und sie kochte für ihre Pensionsgäste große Portionen Curry. Wenn mein Onkel ihr berichtete, daß ich brav gewesen war, bekam ich auch etwas davon.
    Der gute alte George war ein begeisterter Hobbygärtner. Er hatte einen riesigen Garten mit einem Schuppen im hinteren Teil, wo ich immer spielte. Und er war ein schlauer Fuchs. Manchmal sagte er zu mir: »Andy, mein Junge, fang hier an umzugraben, und zähl, wie viele Würmer im Boden sind. Wir müssen wissen, wie viele Würmer da sind, damit wir wissen, wie gut der Boden ist.«
    Während ich dann meinen wichtigen Auftrag ausführte und wie ein Wilder buddelte, saß er in seinem Liegestuhl, trank Tee und amüsierte sich königlich. Ich habe die Sache nie durchschaut. Ich fand es toll, für meinen Onkel George die Würmer zu zählen.
    Etwa 20 Minuten ließ man mich mit meinen Gedanken allein, eine Hand mit Handschellen an eine Metallhalterung an der Wand gefesselt. Ich versuchte, eine bequeme Position zu finden, doch die Handschellen hatten eine Sperrvorrichtung, so daß sie noch enger wurden, wenn man sich in die falsche Richtung bewegte. Ich nahm eine halb liegende Position ein, die Hand in einem Winkel von 45 Grad.
    Ich zog eine Schadensbilanz. Mein ganzer Körper schmerzte, und ich befürchtete, daß einige Knochen gebrochen waren. Die größte Sorge machte ich mir wegen meiner Beine. Sie taten schrecklich weh, und ich wußte, daß sie mich nicht mehr tragen konnten. Ich überprüfte, angefangen bei den Füßen, nacheinander die Knochen, suchte nach Verformungen und vergewisserte mich, daß ich noch alles bewegen konnte. Es ging. Sehr wahrscheinlich war nichts gebrochen.
    Ich atmete durch verkrustetes Blut und Staub und Schleim, und wenn ich mich schneuzte, fing es wieder an zu bluten. Mein Gesicht war geschwollen, meine Lippen aufgeplatzt, und die Haut war an allen freiliegenden Stellen aufgerissen. Jetzt, da ich Zeit hatte, mich zu erholen und meine Lage zu überdenken, schmerzte mein ganzer Körper. Die Kratzer taten noch mehr weh als die Platzwunden. Aber die Knochen waren noch intakt. Ich hatte lediglich Fleischwunden und Prellungen. Ich war zwar schwach und erschöpft, doch bei der erstbesten Gelegenheit würde ich aufspringen und losrennen.
    Ich hatte mir soviel eingeprägt, wie ich konnte, um die Orientierung zu behalten. Ich ging im Geiste durch, was ich gesehen hatte und wo ich mich jetzt befand. Es ärgerte mich, daß ich nicht besser aufgepaßt hatte. Ich hatte wohl zu viel nach unten geblickt, statt mir alles genau anzusehen.

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