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Werben

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Titel: Werben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Zimmermann
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Erstes Kapitel

    Drei Jahre

    Frühstück – Start in den Tag, unverzichtbares Ritual, bevor man mit seiner Arbeit beginnen kann. Ohne morgens etwas gegessen zu haben, sollte man es gar nicht erst wagen, Teil unserer modernen Leistungsgesellschaft werden zu wollen.
    Bereits meine Großmutter ahnte dies und pflegte zu sagen: »Junge, mit leerem Magen ist keinesfalls gut werken.«
    Der Duft warmer Croissants und heißen Kaffees liegt in der Luft. Das Umblättern frisch gedruckter Tageszeitungen ist zu vernehmen und irgendwo in der Nähe spielt ein kleines Radio arglose Muntermacherlieder, während in einiger Entfernung ein Zug über rostige Schienen rattert.
    Eisenbahnromantiker würden bestimmt gerne in der Nähe von Bahnstationen oder -übergängen leben. Ich hingegen werde mich niemals mit diesem Lärm anfreunden können.
    Wie gewöhnlich sitzt sie mir gegenüber! Mit meiner Zeitung lenke ich mich ab, um nicht wieder darüber nachdenken zu müssen, ob ich den Anblick dieser Frau überhaupt verdient habe. Aber wie immer bleibt dies nur ein Versuch, denn jener Gedanke muss sich einem bei ihrer äußerlichen Erscheinung einfach aufdrängen. Diese sensationell grünbraunen Augen, dieser Mund, diese langen braunen Haare, diese Figur – einfach alles an ihr ist göttlich.
    Sie lächelt mich an. Spätherbstliche Sonnenstrahlen vergolden ihr Antlitz und mein Herz macht einmal mehr einen Luftsprung. Natürlich lächelt sie, macht sie mich doch mit einem Fingerzeig auf ihr hübsches Kinn darauf aufmerksam, dass mir an dieser Stelle in meinem Gesicht soeben eine halbe Tasse Kaffee herunterläuft.
    Verdrossen stelle ich fest, dass ich augenblicklich ziemlich bescheuert aussehen muss. Um dem Malheur Einhalt zu gebieten, suche ich daher nach einem Taschentuch.
    Auch in diesem Fall ist es lediglich ein Versuch. Statt eines Zellstoffhelferleins gelingt es mir nur, eine ungeöffnete Packung Desinfektionstücher hervorzukramen. Sie bemerkt mein Dilemma und bietet mir daraufhin eines ihrer Papiertaschentücher an. Das kleine Paket, in ihrer graziös geschlossenen Hand, lässt einen weißen Schriftzug auf blauem Grund durchschimmern.
    Schwärmerisch erkenne ich ihren guten Geschmack. »Aha. Tempo. Sehr gut«, lache ich hysterisch. »Wusste ich doch, dass du von Marken besessen bist!«
    Sie hört auf zu lächeln – ich beiße mir auf die Zunge. Das klang jetzt aber sehr dummdreist und verletzend. Eine mir altbekannte Frage stellt sich: Warum kann ich nicht vor dem Reden denken? Manchmal ist Schweigen tatsächlich mehr wert als tausend Worte.
    Von Marken besessen? Besessen sind Stalker, Massenmörder, weibliche Fans irgendwelcher Teeniebands oder Linda Blair in Der Exorzist . Aber sie ist doch niemals im Leben geistesgestört.
    Unterschwelliger Neid muss mich zu diesem Kommentar hingerissen haben, weil ich mir gegenwärtig nur die koketten Taschentücher der Albrecht-Brüder leisten kann. Muss ich ihr denn, angesichts eines höheren Qualitätsbewusstseins, einen Vorwurf machen?
    Das Tuch werde ich in Ehren halten, beschließe ich.
    Immer noch peinliche Stille. Sie beschäftigt sich lieber weiter mit ihrem Croissant.
    ›Aus Blätterteig müsste man sein!‹, schießt mir durch das Hirn.
    Ein dringendes Verlangen, an meinen Fingernägeln kauen zu wollen, beginnt. Übersprunghandlung nennt man dies in der Verhaltensforschung. Unangenehme Situationen werden auf diese Weise mit Aktionen aus dem Hygieneverhalten überspielt. Mein Gott, warum muss ich immerfort den Artikel des Tages auf Wikipedia lesen und mir solchen Schwachsinn merken? Unnützes Wissen.
    Lust auf Kaffee habe ich nun definitiv nicht mehr. Infolgedessen widme ich mich ersatzweise der Zeitung und wechsele von meinen geliebten Mietimmobilien nach vorne in den Textteil. Dort lese ich die Schlagzeile: SARS erneut auf dem Vormarsch .
    Lustigerweise scheint die Layoutabteilung der Zeitung gedacht zu haben, dass es sich bei der todbringenden Infektionskrankheit um eine skandinavische Dark-Metal-Band handele. So ist der Artikel entgegen jeder Logik im Kulturteil platziert. Unter der Headline ein großes Foto langhaariger, sehr nordisch wirkender Männer mit Ziegenbärten, die vor einer dunklen Baumkulisse stehen.
    ›Ob die nachts im Wald den Mond anheulen und der Gottheit Odin Tiere opfern?‹, frage ich mich. Bei dem Musikstil kann man davon ausgehen! Ich lache alleine und einzig für mich selbst – wie so oft.
    Verlegen, gleichwohl heiterer, schaue ich abermals zu ihr

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