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Die Männer von Bravo Two Zero

Die Männer von Bravo Two Zero

Titel: Die Männer von Bravo Two Zero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy McNab
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Falls ich fliehen konnte und durch das
    Tor hindurch war, in welche Richtung mußte ich dann? Links oder rechts runter oder geradeaus? Wo lag Westen? Und was, wenn ich durch den Hinterausgang abhauen würde? Wie weit war es vom Lager bis ans Ende der Stadt? Ich mußte so schnell wie möglich raus aus bewohntem Gebiet. Das hätte ich bei unserer Stadtrundfahrt überprüfen können, doch ich Schwachkopf hatte mich ja von der Menschenmenge ablenken lassen. Ich war stinksauer auf mich, daß ich mich so unprofessionell verhalten hatte.
    Ich stellte mir den Ablauf der Flucht vor, eine Mischung aus Tatsache und Phantasie. Tatsache insofern, als ich tat, was man in einer solchen Situation machen muß - überlegen, wie man rauskommt. Phantasie, weil ich mir vorstellte, wie es genau sein würde, wenn ich rauskam, daß ich nach rechts runter gehen würde, was ich sehen würde und was hinter mir wäre. Ich wollte fliehen.
    Ich sah mich in dem Raum um. Über mir war ein Fenster. Nur eine einzige Scheibe war klar, die übrigen waren mit Brettern vernagelt, wo sie eingeschlagen waren, oder vielleicht, damit keine Sonne hereinkam. Ich hörte, daß draußen die Soldaten herumlungerten, und aus mittlerer Entfernung ertönten Rufe. Die Stimmen direkt vor dem Fenster waren leise, ein Murmeln, das gerade mal fünf bis zehn Meter weit weg war, von unterhalb der Veranda, als hätte man sie dort postiert, damit sie mich mit ihrem Gerede nervös machten.
    Ich hoffte, Dinger würde die gleiche Behandlung zuteil, denn es war ganz angenehm, hier auf dem Teppich zu sitzen. Es war herrlich, allein zu sein. Ich war glücklich und zufrieden im Dunkeln, schaute auf das warme Glühen der Paraffinheizung und atmete den vertrauten Geruch ein. Niemand schikanierte mich, ich war ganz für mich allein, mit einer Hand an der Wand befestigt. Es war geradezu paradiesisch.
     

     
    Ich mußte an unseren Trupp denken. Waren die anderen geschnappt worden? Waren sie tot? Wußte Dinger etwas über sie? Würde sich eine Gelegenheit ergeben, mit ihm zu sprechen?
    Ich versuchte, mich möglichst still zu verhalten. Mein Herz schlug langsam, und mein Körper war steif und schmerzte. Jede Bewegung war unangenehm, und ich wollte eine bequeme Haltung finden. Einige Wunden waren mit dem Stoff meiner Uniform verklebt, und als ich mich bewegte, gingen sie wieder auf. Meine blutgetränkten Socken klebten mir an den Füßen.
    Ich muß ausgesehen haben wie ein Penner. Seit einer Woche hatte ich mich nicht mehr gewaschen, und meine
    Haut war pottdreckig. Meine Haare, während der Fluchttage verfilzt, waren mit einer Kruste aus geronnenem Blut und Schmutz überzogen. Vor lauter Blut und Dreck und Schmiere war die Tarnfarbe meines DPM kaum noch zu erkennen. Meine Hose sah aus wie die Jeans eines Motorradfahrers.
    Wieso waren wir wieder ins Lager gebracht worden? Ich hatte keinen Schimmer. Offenbar war die Vernehmungsphase noch nicht beendet. Ich wartete auf irgend etwas oder irgend jemanden. Ich holte tief Luft, atmete aus und dachte über Fluchtmöglichkeiten nach. Plötzlich fiel mir ein, daß ich ja noch meine Fluchtkarte und den Kompaß hatte. Ich konnte sie sogar im Hosenbund spüren. Es war ein gutes Gefühl: Endlich hatte ich etwas für mich, einen psychologischen Vorteil.
    Ich dachte an all die schönen Dinge, die ich mit Jilly erlebt hatte, an die verrückten Wochenenden, die wir gemeinsam verbracht hatten. Mir fielen all die Albernheiten ein, über die wir zusammen gelacht hatten wie Teenager. Ich versuchte mir vorzustellen, was sie gerade machte. Ich erinnerte mich lebhaft an einen schönen Samstag zwei Wochen vor meiner Abreise an den Golf. Kate war wie immer am Wochenende bei uns, und wir lagen auf dem Fußboden und guckten Robin Hood auf Video. Little John vollführte seinen Tanz, und ich stand auf und tanzte mit Kate. Wir tanzten und tanzten im Zimmer herum und warfen die Füße in die Luft, bis uns schwindelig wurde und wir lachend auf den Teppich fielen.
    Ich dachte an Kates allererstes Weihnachtsfest. Ich hatte bis dahin nur wenig von ihr mitbekommen. Bei ihrer Geburt im Februar war ich nicht da und kam erst nach Hause, als sie schon sechs Wochen alt war. Dann sah ich sie nur die nächsten drei Monate, und in dem Rhythmus ging es weiter. An jenem Weihnachtsfest hatte ich frei, und wir waren im Haus von Freunden an der Südküste. Kate schlief zu der Zeit nicht besonders gut, was ich toll fand, denn es war das erste Mal, daß wir zusammen allein waren. Ich

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