Die Männer von Bravo Two Zero
über den gegenwärtigen oder geplanten Auftrag von anderen wußten, so daß keinerlei Aktionen gefährdet waren. Sämtliche Operationen, die dadurch beeinträchtigt werden könnten, daß wir von ihnen Kenntnis hatten, waren bestimmt schon geändert oder gestrichen worden. Wir mußten bei unserer Story bleiben. Es gab kein Zurück mehr.
Eine Stunde oder vielleicht auch nur zehn Minuten später befand ich mich noch immer in meiner verkrampften Sitzhaltung in der Ecke. Schritte gingen auf und ab, hin und wieder schaute jemand herein, es wurde geflüstert.
Für meinen Körper war eine Gefechtspause eingetreten. Während ich mißhandelt wurde, hatte ich keinerlei Bedürfnisse empfunden. Jetzt jedoch, wo man mir keine Schmerzen mehr zufügte, schrie mein Körper geradezu vor Hunger und Durst. Das Essen war nicht das dringendste Bedürfnis. Mein Magen hatte so viele Tritte abbekommen, daß er wahrscheinlich ohnehin keine Nahrung hätte aufnehmen können. Ich brauchte vor allen Dingen Wasser. Ich war so durstig, daß mir die Zunge am Gaumen klebte.
Ich hörte, wie sie sich am Vorhängeschloß zu schaffen machten und den Riegel zurückschoben. Sie schlugen und traten gegen die Tür, um sie aufzubekommen, und die Metallplatte vibrierte und bebte. Es ging wieder los. Der Durst verschwand. Ich hatte nur noch Angst.
Sie kamen wortlos herein, packten mich und zogen mich hoch. Ich konnte sie nicht sehen, aber ich konnte sie riechen. Ich versuchte den Eindruck zu erwecken, als wollte ich ihnen behilflich sein, trotz meiner Verletzungen, die ich dramatisierte. Doch ich mußte feststellen, daß ich mir selbst mehr vormachte als ihnen. Ich war längst über das Stadium hinaus, jemandem irgend etwas vorspielen zu müssen. Ich konnte nicht stehen. Meine Beine verweigerten den Dienst.
Sie schleppten mich aus der Zelle und nach rechts den Gang hinunter. Unter der Augenbinde hindurch konnte ich ein bißchen was sehen: Pflastersteine und eine Blutspur. Ich sah eine Stufe näher kommen, mußte jedoch dagegen stoßen, damit sie nicht merkten, daß ich sehen konnte. Ich wollte nicht noch mehr einstecken müssen, als mir ohnehin bevorstand.
In der Sonne war es warm. Ich spürte sie auf meinem Gesicht. Es ging einen Weg entlang, dicht an einer kleinen Hecke vorbei, wieder eine Stufe hoch, dann erneut ins Dunkle. Ein langer, finsterer Korridor, kühl, muffig und klamm. Ich hörte typische Bürogeräusche und Schritte auf Linoleum oder Fliesen. Wir bogen nach rechts und kamen in einen Raum. Es war kalt und feucht, doch als sie mich hineinschleppten, kamen wir an einzelnen Wärmequellen vorbei. Der Raum war nicht dazu angetan, Erinnerungen an das schöne, behagliche Wohnzimmer meiner Tante Nelly auszulösen, denn er war alles andere als wohlig warm.
Sie stießen mich auf einen harten Stuhl. Es roch wie üblich nach Paraffin und Zigaretten, und diesmal noch nach beißendem Schweißgeruch. Ob er von den Leuten in dem Raum kam oder von einem Gefangenen, der vor mir hiergewesen war, konnte ich nicht sagen. Ich wollte mich vorbeugen, doch Hände packten mich und rissen mich zurück.
Es waren viele Leute im Raum, ich hörte Füßeschlurfen, Husten und leises Tuscheln, und sie schienen auf beiden Seiten des Raumes verteilt zu sein. Ich hörte Gaslampen. Ich wußte nicht, ob es ein fensterloser Raum war oder ob die Vorhänge zugezogen waren, doch abgesehen vom Schein der Lampen war es dunkel.
Ich spannte die Muskeln an und wartete. - Etwa eine Minute lang herrschte Stille. Ich war beunruhigt. Jetzt wurde es ernst. Diese Leute hier waren nicht dumm.
Eine Stimme sprach mich quer durch den Raum an. Sie klang wie die Stimme eines lieben Opas, irgendwie alt und rauh, mit einem sehr angenehmen Tonfall.
»Wie geht’s dir, Andy?«
»Einigermaßen.«
»Du siehst ziemlich mitgenommen aus.« Sein Englisch war fließend, aber mit einem starken Akzent. »Wenn wir die Sache hier erledigt haben und zu einer Einigung gekommen sind, können wir dich vielleicht von einem Arzt behandeln lassen.«
»Das wäre sehr schön. Vielen Dank. Und meinen Freund auch?«
Wir waren jetzt in einer neuen Umgebung und hatten es mit neuen Leuten zu tun. Wenn das hier glimpflich verlief, bekam ich vielleicht etwas zu essen, vielleicht würde ich ärztlich versorgt, vielleicht schaffte ich es, daß Dinger ärztlich versorgt wurde. Vielleicht konnte ich sogar irgend etwas in Erfahrung bringen. Vielleicht nahmen sie mir die Augenbinde oder die Handschellen ab - vielleicht,
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