Die Männer von Bravo Two Zero
klapperte sie noch immer wie künstlich erzeugtes Gewitter. Es war das furchterregendste Geräusch, das ich je gehört hatte, entsetzlich, absolut entsetzlich.
Sie waren im Nu bei mir, rissen mich an den Haaren, traten und droschen auf mich ein. Ihre Botschaft war unmißverständlich. Sie zwangen mich wieder in die verkrampfte Sitzposition und verließen die Zelle, schlugen die Tür hinter sich zu. Der Riegel wurde krachend vorgeschoben, und ihre Schritte verhallten.
Das ist bestimmt ein richtiges Gefängnis, und das hier eine echte Zelle. Ich bin völlig in ihrer Gewalt. Wird es also hier passieren? An Flucht ist nicht zu denken, und wenn sich die Bedingungen nicht ändern, wird sich nie eine Chance dazu ergeben.
Diese Jungs wußten ganz genau, was sie taten. Ihre Reaktionen waren geübt und hatten Methode. Plötzlich hatte ich das Gefühl, daß es immer so weitergehen würde. Ich hatte keine Hoffnung mehr. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß ich mich je deprimierter oder einsamer, verlassener oder verlorener fühlen würde.
Meine Gedanken machten sich selbständig. Ich fragte mich, ob Jilly inzwischen wußte, daß ich vermißt wurde oder als verschollen galt. Ich hoffte, daß man ihr nichts erzählt hatte. Ich hoffte, daß einer von uns es über die Grenze geschafft hatte oder die Iraker das Rote Kreuz informiert hatten. Wäre immerhin möglich. Vielleicht würde man bald im Fernsehen über mich berichten, was nicht schlecht wäre. Oder doch? Meine Angehörigen machten sich schon genug Sorgen, schon allein weil Krieg war. Jilly war immer ganz gut damit fertig geworden, daß ich Soldat war. Sie vertrat den Standpunkt: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Sie war irgendwie in der Lage, es einfach aus ihrem Kopf zu verbannen. Doch diesmal war klar, wo ich war, und auch meine Eltern wußten es.
Das einzige, was mir am Sterben angst machte, war die Vorstellung, daß vielleicht niemand erfahren würde, daß ich tot war. Der Gedanke war mir unerträglich, daß meine Angehörigen kein Grab haben würden, an dem sie trauern konnten, oder daß sie bis ans Ende ihres Lebens keine Gewißheit hätten.
Offenbar wollte die irakische Führung derzeit nicht, daß wir starben, denn wenn die Soldaten freie Hand gehabt hätten, wären wir schon längst umgebracht worden. Und wenn sie wollten, daß wir am Leben blieben, dann mit einer ganz bestimmten Absicht - entweder zu Propagandazwecken oder einfach weil sie wußten, daß sie den Krieg verlieren würden und sie nicht gut daständen, wenn bekannt wurde, daß sie Kriegsgefangene ermordeten.
Man muß sich mit den Gegebenheiten abfinden und das Beste daraus machen. Da ich für meine Familie in der Heimat nun mal nichts tun konnte, beschäftigte ich mich mit anderen Gedanken. Hätte ich in jener Nacht zur Grenze gehen sollen? Jetzt war mir klar, daß ich meine Chance hätte nutzen sollen. Aber andererseits, im Rückblick hätte ich in der letzten Woche so manches anders gemacht.
Ich war desorientiert. Ich mußte mein Zeitgefühl wiedergewinnen. Mir war klar, daß man den Willen eines Gefangenen brechen kann, wenn er erst mal die zeitliche Orientierung verloren hatte. Wer ein Verhör durchführt, hat zwei Hürden zu überwinden: Er muß dich zunächst physisch kaputtmachen und dann psychisch, was schwieriger ist. Sie kennen deine Psyche nicht, deine Schwächen, deine Stärken. Manche brechen gleich am ersten Tag zusammen, andere geben sich nie geschlagen und irgendwo dazwischen liegen wir übrigen. Der Verhörende weiß nie mit Sicherheit, ob er sein Ziel erreicht hat. Die Anzeichen dafür sind schwer zu deuten; er weiß, daß deine körperliche Verfassung kein zweifelsfreies Indiz ist, da du deine Verletzung übertreibst. Aber man hat ihm beigebracht, daß die Augen nicht lügen. Du mußt also dafür sorgen, daß er nicht durch dieses Fenster gucken kann; du mußt deine geistige Wachheit verbergen. Wer dir in die Augen blickt, muß in gähnende Leere blicken, nicht in ein offenes Buch.
Ich zwang mich zu produktiveren Gedanken. Ich ging meine Story noch einmal durch und versuchte, mich zu erinnern, was ich gesagt hatte, wobei ich hoffte, daß Dinger in etwa das gleiche erzählt hatte. Wir mußten so lange durchhalten, wie wir konnten, damit unsere Leute im FOB Zeit hatten, eine Lageeinschätzung vorzunehmen. Unsere Führung würde sich fragen: Was wissen die Männer von Bravo Zwo Zero? Sie würden zu dem Schluß kommen, daß wir unseren Einsatz kannten, aber nichts
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