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Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen

Titel: Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Seidel
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unter) – »kommt der Hauptpunkt: deine Ausländerei . . . Meinst du, man hätte mir nicht erzählt, wie du im Hotel hier vor dem Engländer auf dem Bauch gekrochen bist? Dich zum Narren gemacht hast vor einem eingebildeten Frauenzimmer, nur weil sie nach besserer Seife gerochen hat wie ich? Mann, zum Schauspiel hast du dich gemacht, und ausländisch geflötet hast du und herumgesprungen bist du wie ein kleiner Piccolo – – ha, gelt! Anstatt ihnen ihr Geld abzuknöpfen, den Schmarotzern, wie sich's gehört hätte . . . Fein und vornehm tut man und läßt seine Frau im Stich und nimmt seinen ollen Zigeunerkoffer und nichts wie weg, nichts wie hinterher über die Grenze . . .«
    »Mathilde!«
    Sie nahm ein Gläschen und kippte es resolut mit einem Schluck hinunter. Sie war gut im Zug und fuhr mit immer höherer Stimme und immer flüssiger fort:
    ». . .auf und davon: ›nehmt mich mit!‹ Köstlich ist die Fremde, und gut ist sie dir bekommen. das sieht man; herrlich haben sie dich behandelt, deine Engländer, ausgezogen und gerupft haben sie dich . . . Mann! Du hast ja gar keinen Stolz im Leib! Und nun kommt man auf einmal wieder zurück und riskiert eine gewaltige Lippe und schmeißt mir Untreue ins Gesicht und jagt Freunde davon, die es nur gut mit einem meinen, und fuchtelt mit dem Schießeisen und will mir auch noch zu Leibe . . . Jetzt soll ich nichts tun als Ja und Amen sagen zu meinem Herrn und Gebieter und womöglich noch im siebenten Himmel schweben . . .«
    Hier ging Frau Zinkeisen der Atem aus. Sie hatte gerade noch Luft genug, um anzufügen:
    »Siehst du's jetzt ein?! – Siehst du's ein?« Dann klappte sie wieder zusammen und steckte den Kopf zwischen die Arme.
    Eine lange Stille folgte.
    Dumpf fing sie wieder an: »Daß du gänzlich auf dem Trockenen sitzt, das sieht man dir an . . . Gott sei Dank war Herr Brecht so anständig und hat mir per Tag einen Dollar bezahlt. Einen ganzen Dollar . . . Jeden Tag acht Stunden Maschine . . . Keine Kleinigkeit . . . Und jetzt hast du mir meine Stellung vermasselt . . . Denn ich kann mich doch nicht zerreißen zwischen euch!« Sie heulte auf.
    »Mathilde!«
    »Rühr' mich nicht an! Wasch' dich zuerst! Rasier dich! Wie siehst du überhaupt aus!«
    Sie zog sich ins Schlafzimmer zurück.
     
    Wie ein Mensch, über den ein großes Unwetter verheerend und läuternd hinweggegangen, saß er noch eine geraume Weile wie gelähmt auf dem Sofa.
    – Seine Augen starrten in ein absolutes Nichts hinein. Sie hatte recht: wovon sollte man jetzt leben? Daß er Herrn Brecht seine Existenz würde danken müssen, schien ihm völlig grotesk und unfaßbar . . . Da, diesen Hausrat mußte man verkaufen. Versteigern. Diese Öldrucke, die ihn auf einmal anmuteten wie Offenbarungen intimer Innenkunst. Diese Häkelspitzen an den Möbelschonern. Diese trauten polierten, nett gedrechselten Sitz und Ruheorte. Alles verschlang ein Abgrund, und dann ging die Hetzjagd von neuem los . . .
    War es dann nicht vielleicht besser, wenn . . . dort im Nachbarhof lag ja noch der handliche, wirksame, kleine Gebrauchsgegenstand für einen speziellen und extremen Fall . . . Vielleicht tat er, Zinkeisen, letzten Endes nicht bloß sich, sondern auch ihr einen Gefallen; er würde gleich morgen in der Frühe durchs Nebenhaus gehen und suchen . . .
    Einstweilen noch wach sein und nachdenken . . . Denken, bis ihn der Schlaf erwischte . . . Er fiel ins Bett wie ein Toter. –
     
    Und nun kam ein Alpdruck . . .
    Er stand in der Halle des Adelphi-Hotels mit einer seltsamen Beklemmung. Von allen Tischen sah man zu ihm hinüber. »Was haben die Leute doch nur?« dachte er höchst beunruhigt. Plötzlich bemerkte er, daß er, wenn auch mit Jacke und Hemd bekleidet, nacktbeinig mitten in der Halle stand; und schwüler Schweiß brach ihm aus. Es wurde immer heller in der Halle: neue Bogenflammen entzündeten sich: die grauen kalten Augen hunderter ihm zugewandter Köpfe glitzerten. Und je gleißender das Licht wurde, desto mehr schien von seiner Kleidung zu verschwinden, als schmelze es in der Hitze der Leuchtkörper von ihm ab wie Zunder.
    Plötzlich stand Maloney neben ihm und sagte: »Unglaublich, Herr. Sie blamieren sich und das Hotel. Ich muß sehr bitten! Im übrigen kenne ich Sie nicht . . . Ich erinnere mich durchaus nicht an Sie!
Not at all!!
Absolut nicht!«
    Zinkeisen war emsigst damit beschäftigt, die ständig herabrutschenden Kleiderstücke, die

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