Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen
sich zwischen seinen Fingern auflösen wollen, hochzuzerren. Doch es half nichts; es wurde immer grauenhafter und seine Blöße immer eklatanter . . . Er stolperte vorwärts; die Halle wurde immer breiter; ein endloses Spießrutenlaufen zwischen empörten Tischen wurde daraus, bis er zuletzt, endlich, endlich, den Ausgang fand . . . Den Ausgang in eine schwarze Nacht, in der es bunt blinkte und in der es schwül war.
Hier war er wenigstens in seiner Nacktheit geborgen. Da aber ergriffen ihn unsichtbare Mächte und zwängten ihn irgendwo hinein . . . Ach, er begriff: Er fühlte zwei Stangen rechts und links, das waren Handdeichseln; er war ja ein Rikschakuli und hatte unverschämterweise viel zu lange in einer Lichtwelt gelebt, in die er nicht gehörte . . . ganz recht, dachte er voller Schwermut, hatten jene, als sie ihn entfernten. Und da war er auch schon in Trab begriffen und lief und lief.
Die samtene Schwüle umfing ihn und preßte seine Brust zusammen. Er schnaufte schwer. Gleichwohl trabte er unablässig, als ob seine Beine Pleuelstangen einer Maschine seien. Er drehte sich um: wen schleppte er eigentlich? Bleischwer hockte es dort hinten im Kasten und schnalzte mit der Zunge, wie man einem störrischen Pony schnalzt.
Am Himmel war ein Streifen von bengalischem Gelb. Er bemühte sich verzweifelt, zu erforschen, wer ihn so unnachsichtlich vorwärts treibe. Seine Lenden schmerzten, seine Lungen schmerzten, sein Asthma wuchs . . . Und die Last wurde schwerer und schwerer. Auf einmal konnte er nicht mehr laufen und brach zusammen. Mühsam tastend kroch er neben das Rikscha und fühlte mit den Händen hinein. Im selben Augenblick brach das Gefährt mit unaufhörlichem Krachen zusammen, gleichsam mit einem Geknatter, und zwischen den Trümmern saß (als schwarze Silhouette vor dem bengalischen Gelb) eine hockende Figur aus kaltem Metall, aus deren Kiefern unaufhörlich wie in unstillbarem Krampf Geldscheine, ausländische Geldscheine, grüne, weiße, purpurne quollen . . . Immer phantastischer und giftig bunter wurden diese Scheine . . . ›Devisen‹, dachte der Kuli Zinkeisen schaudernd. Auf einmal war es Herr Brecht, den er geschleppt; Herr Brecht mit einem Tropenhelm. Die Geldscheine waren bunte Hotelmarken mit nie gehörten Namen, und Herr Brecht kletterte höchst unwirsch aus den Trümmern hervor und sprach:
»Na! Sie sind mir ein unpraktischer Mensch!! Nicht einmal zum Kuli kann man Sie gebrauchen!!«
– – Stöhnend erwachte er. –
In der Ferne gewitterte es. –
Der Gang nach Canossa
Es war sieben Uhr. Er war in seinen Betrachtungen nicht weitergediehen als am Abend vorher. Es blieb ihm wohl nur noch dieser eine Kurs offen, den er mit Hilfe jener in den Hinterhof geschleuderten Waffe einschlagen konnte: Selbstauslöschung.
Er schob sich leise wie ein Dieb aus dem Bett und ging mit übergeworfenem Mantel, in Pantoffeln hinunter, bis er in den Hinterhof gelangte. Hier suchte und stöberte er eifrigst zwischen den staubigen Büschen.
Auf einmal ertönte eine bekannte Stimme: »Was suchst du denn da, Edmund?«
Er blickte auf. Sie stand auf dem Küchenbalkon im tiefsten Negligé und bog sich übers Geländer. Sein Gesicht wurde krebsrot; er ließ ab und kam wortlos wieder herauf. – Sie empfing ihn verhältnismäßig frisch und scharf; sie trug wiederum wie damals (diesmal aber aus Aufregung) den Kimono offen und bot sozusagen durch ihren hübschen, glatten Leib eine Gegensuggestion zu Herrn Zinkeisens trüben Gelüsten.
»Hör' mal, mein Lieber: ich sagte dir schon gestern – laß das Schießeisen in Ruh. – Was hast du denn jetzt noch damit vor?!«
Sie starrte ihn an. Dann sagte sie sachlich:
»Da täuschest du dich. Das wäre schon die größte Drückebergerei deines Lebens; fast noch schlimmer, als wenn du Herrn Brecht über den Haufen schießen würdest.«
»Ja – aber, in Gottes Namen, was bleibt mir denn jetzt noch übrig?«
»Du gehst jetzt zu Herrn Brecht und entschuldigst dich wegen deines unmöglichen Benehmens. Du bittest ihn, dir deinen alten Posten im Hotel wiederzuverschaffen. Du bist klein und häßlich und gelobst Besserung.«
»Ausgeschlossen!! – Du mutest mir zu, mich so zu erniedrigen . . . vor diesem Schieber . . . diesem Konjunkturschwein . . .«
»Du bist eifersüchtig, mein Sohn, und hast kaum Grund dazu. Aber wenn du das nicht machst – gut. – Ich für meine Person bin gedeckt. Ich kann meinen Posten schließlich behalten. Für
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