Die magische Maske
Kinder sahen, dass es drei sein mussten, denn auf einem langen Tisch waren drei Arbeitsplätze zu erkennen. Zwei bauchige Amphoren und eine Schale warteten darauf, bemalt zu werden. Auf der Töpferscheibe stand eine sehr hohe Vase mit einem langen Hals und zwei senkrecht daran klebenden Henkeln. Neugierig traten die Kinder näher.
»Heiratet jemand?«, fragte Iris. Sie wusste, dass man dieses Gefäß mit Wasser aus einer heiligen Quelle füllte und für Hochzeitsfeiern brauchte.
»Ja«, lachte Phintias. »Die Tochter des Bronzegießers da vorne am Anfang der Straße. Wir werden ihr noch einen besonders schönen Hochzeitszug daraufmalen.«
Prüfend strich er über die Nahtstellen an der Vase. Die einzelnen Teile hatte er schon zusammengesetzt und mit Ton verklebt. Phintias war zwar groß, aber auch er konnte Gefäße auf der Töpferscheibe natürlich nur in einem Stück herstellen, wenn sie nicht länger als sein Arm waren. Jetzt musste die Vase noch trocknen, bevor sie bemalt wurde.
Er zeigte auf die Schemel am Tisch und sagte freundlich: »So, nun setzt euch und erzählt.«
Die drei Freunde blickten sich kurz an. Auf Hegias machte Phintias einen harmlosen Eindruck. Er war so freundlich wie immer. Ob er ihm einfach alles erzählen sollte? Unmerklich nickte Paseas und Iris zuckte die Schultern. Sie mussten einfach irgendwo anfangen, wenn sie mehr herausbekommen wollten.
Also erzählte Hegias die ganze Geschichte von Anfang an. Phintias’ Augen wurden beim Zuhören immer größer. Einmal unterbrach er Hegias miteinem dröhnenden: »Was? Das ist ja unglaublich!«, aber dann hörte er kopfschüttelnd weiter zu.
Als Hegias am Ende angekommmen war, rief der Töpfer: »Die Kerle können froh sein, dass ich sie nicht kenne! Was für eine bodenlose Frechheit! Und wie kann ich euch helfen?«
»Wir dachten, du kennst vielleicht die Töpfer, die Preisamphoren herstellen. Wahrscheinlich gehört die zweite Maske einem von ihnen«, erklärte Paseas.
»Und vielleicht bekommen wir dann heraus, warum überhaupt zwei Masken gestohlen worden sind«, fügte Iris hinzu.
Phintias nickte. »Ich weiß zwar nicht, wem die zweite Maske fehlen könnte, aber eure Idee, den Unglücklichen bei den Töpfern der Preisamphoren zu suchen, ist sehr gut!«
»Wir wissen nur nicht, wer genau Aufträge bekommen hat.« Iris zuckte die Schultern.
»Aber Andokides und Mikion kennen die doch bestimmt auch, oder?«, fragte Phintias erstaunt. »Habt ihr sie nicht gefragt?«
»Mein Vater weiß nichts von den Dieben«, gab Hegias zu. »Er würde mir sowieso nichts mehr glauben. Er ist so böse auf mich …«
Phintias blickte Hegias mitleidig an. Er kannteMikion und wusste, wie dickköpfig er sein konnte, wenn er von einer Sache überzeugt war. Er konnte sich gut vorstellen, womit Hegias zu kämpfen hatte.
»Und es geht natürlich schneller, wenn wir nicht alle Töpfer fragen müssen«, erklärte Iris.
»Ha!«, rief Phintias. »Da hättet ihr viel zu tun. Aber wenn es weiter nichts ist, das ist leicht! Ich habe dieses Mal aufgepasst, wer bei den Glücklichen war, denn ich wollte genau diesen Auftrag haben. Der Sohn meiner Schwester macht nämlich bei dem Laufwettbewerb der Jugendlichen mit! Und da soll der Preis doch sozusagen in der Familie bleiben!«
Er zwinkerte den Kindern zu, stand auf und fischte eine Tonscherbe aus seinem Abfallhaufen.
»Hier«, sagte er und reichte Hegias die Scherbe und einen Metallgriffel. »Schreib auf.«
Und dann diktierte er ihm eine vollständige Liste aller Töpfer, die in diesem Jahr Preisamphoren herstellten. Hegias ritzte die Namen in die Scherbe und merkte, dass er recht gehabt hatte. Manche Töpfereien stellten die Amphoren für alle drei Altersgruppen einer Sportart her. Mit den Vätern der Kinder waren es nur insgesamt zwölf Töpfer. Phintias hatte seine Maske noch, also blieben neun übrig, die sie befragen mussten. Das hörte sich schon besser an.
»Einer von denen ist das zweite Opfer«, erklärte Phintias und tippte mit einem Finger auf Hegias’ Scherbe. »Da gehe ich jede Wette ein. Eine andere Erklärung gibt es nicht.«
Plötzlich hörte man Stimmen, knirschende Räder und das Trappeln von Hufen auf dem Hof. Kurz darauf kam einer von Phintias’ Vasenmalern herein.
»Der neue Ton ist da!«, sagte er mit einem erstaunten Blick auf die Kinder. »Was machen wir jetzt damit?«
»Ich komme«, antwortete der Töpfer. »Einen Augenblick.«
Nachdem der Vasenmaler die Werkstatt verlassen hatte,
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