Die magische Maske
können«, wandte Iris ein.
»Und wer soll das sein?« Paseas sah sie zweifelnd an.
»Der alte Agathon«, erklärte sie. »Er steht auch auf unserer Liste.«
»Ja, vielleicht«, stimmte Hegias zu. »Er tut eigentlich keiner Fliege was zuleide. Obwohl … das haben wir von Hilinos doch auch gedacht.«
»Kommt!«, sagte Paseas entschlossen. »Wir versuchen es.«
Er kickte ein Steinchen in den Bach, neben dem sie seit einiger Zeit herliefen. Er hieß Eridanos undfloss durch das Kerameikos-Viertel, beschrieb weit hinter dem Friedhof einen Bogen und mündete dann in den Fluss Ilissos. Seine Quelle lag zwar im Nordosten der Stadt, aber erst im Kerameikos-Viertel kam er ans Tageslicht. Er floss unterirdisch und nahm auf seinem Weg das Abwasser aus den Kanälen der Agora und aus den Häusern des Viertels mit.
»Hier stinkt es mal wieder!«, rief Iris und hielt sich die Nase zu. »Können wir nicht woanders entlanggehen?«
Hegias drehte sich lachend zu ihr um, aber plötzlich erstarrte er und duckte sich hinter einen breiten Strauch, der direkt am Wasser wuchs. »Versteckt euch! Schnell!«, flüsterte er.
Paseas und Iris ließen sich neben ihn fallen.
»Was ist los?«
»Da vorne gehen unsere Vasenmaler. Smikros und Epiktetos. Ich will nicht, dass sie uns sehen. Ich gehe erst nach Hause, wenn ich den Dieb kenne.«
»Wieso rennen unsere Vasenmaler heute eigentlich ständig in Athen herum? Sie müssten doch alle in der Werkstatt sein!«, wunderte sich Paseas.
Neugierig linste Iris über den Busch. Die beiden Sklaven verschwanden in einer der Gassen des Kerameikos-Viertels.
»Sie sind weg«, berichtete sie. »Und können wir jetzt wirklich woanders hergehen? Hier stinkt es!«
»Wir sind doch gleich da«, antwortete Hegias und streckte sich wieder in die Höhe. »Agathons Töpferei ist da vorne, die letzte vor dem Friedhof.«
Der große Friedhof vor der Stadt lag zwar noch westlich vom Kerameikos-Viertel, aber er gehörte dazu. Die meisten Grabbeigaben und auch der Gräberschmuck bestanden aus den verschiedensten Tongefäßen. Kein Wunder, dass sich die Töpfereien in der Nähe des Friedhofs angesiedelt hatten.
Hegias hatte recht. Sie waren auf ihrer Suche in einem Halbkreis durch das Viertel gelaufen und trafen jetzt wieder auf die Panathenäenstraße. Rechts und links der Straße konnten sie die ersten Grabmäler erkennen. Und davor stand ganz allein und ein ganzes Stück von den anderen Töpfern entfernt das Haus des Töpfers Agathon. Rasch betraten die Kinder den Hof und schauten sich um.
»Da ist sein Ofen«, sagte Iris.
Sie liefen um den Ofen herum und blieben wie angewurzelt stehen. Oben an der Kuppel war ein heller Fleck, wo eigentlich die Maske hätte hängen müssen. Hatten sie das zweite Opfer der Maskendiebe gefunden?
In Agathons Werkstatt
Agathons hagere Gestalt saß zusammengesunken auf dem Steinsockel vor dem Feuerloch. Er hatte die Ellbogen auf die Knie gestützt und fuhr sich niedergeschlagen mit beiden Händen durch seine weißen Haare. Zuerst bemerkte er seine Besucher gar nicht. Erst als er sich kopfschüttelnd über den Bart strich und dabei aufblickte, entdeckte er die Kinder.
»Ach!«, sagte er müde. »Ihr seid es!«
Die Kinder erkannten den Töpfer kaum wieder. Agathon war sonst so ein lebhafter Mann! Trotz seines Alters stand er nie still, redete immer mit Händen und Füßen, und das so schnell, dass man ihm kaum folgen konnte.
Agathon schüttelte wieder hilflos den Kopf und zeigte auf den Ofen hinter sich. »Habt ihr das gesehen? Jemand hat mir meine magische Maske gestohlen. Ich kann nicht brennen.«
Vielsagend blickten sich die Kinder an. Agathon war das zweite Opfer! Ihre Suche hatte sich gelohnt.
»Was soll ich nur tun?«, jammerte der alte Töpfer. Er stand auf und blickte an seinem Ofen hoch zur Kuppel mit dem leeren hellen Fleck. »Es ist entsetzlich!« Verzweifelt schüttelte er den Kopf. »Wer macht denn so was? Es wird mich ruinieren! Ich kann doch meine Preisamphoren nicht alle einzeln zum Ofen eines anderen Töpfers tragen!«
»Unsere Maske ist auch gestohlen worden!«, sagte Hegias leise. »Wahrscheinlich vorgestern Nacht.«
»Was?«, rief Agathon entrüstet. Plötzlich kam wieder Leben in ihn. »Unglaublich! Ein Maskendieb geistert nachts durch Athen und fügt den Töpfern Schaden zu? Was soll das?«
»Das wissen wir noch nicht«, antwortete Paseas.
»Aber wieso seid ihr zu mir gekommen? Fehlen noch mehr Masken? Und wenn ja, wem? Was sagen Andokides und
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