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Die Maikaefer

Die Maikaefer

Titel: Die Maikaefer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burkhard Driest
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Organismus zur Entfaltung bringen will? Einer Kraft, die mit gegenläufigen Tendenzen auch dadurch fertig wird, dass sie sie gar nicht wahrnimmt?
    Ich jedenfalls nahm nur die Liebe meiner Mutter zu mir wahr. Bis ins hohe Alter empfand ich es als die wunderbarste, wenn auch unbewusste Entscheidung meines Lebens, mich von ihr nur geliebt gefühlt zu haben. Die zwei Soldaten, die meinen Vater bei seinem letzten Kurzurlaub begleiteten, nannten sie ein »Rasseweib«. Ich fragte später Tante Lieschen, was das sei. Sie schüttelte den Kopf und sagte, die beiden hätten nicht Rasse, sondern Klasse gemeint, und das sei etwas sehr Gutes, das sei eine Frau, die Klasse habe, man könnte auch sagen: Adel, kurzum so etwas wie eine Königin.
    Als wir vom Bahnhof zu Hause ankamen und ich meiner Schwester verkünden wollte, dass Vater da wäre, rannte ich durch alle Zimmer, fand aber weder Dagi noch Tante Kläre. Meine Mutter sagte, Dagi schlafe heute Nacht bei der kleinen Laura Schattner unten, und Tante Kläre lege der Frau Schattner noch Karten.
     
    Die Schattners kamen aus Berlin und waren wegen der vielen Fliegerangriffe zu uns aufs Land übergesiedelt. Frau Schattner war es auch, die mir irgendwann einmal erzählte, wie sie mich nach einem heftigen Gewitter brüllend im Garten gefunden habe. Ich hätte angeschnallt in meiner Karre gelegen, gepeinigt von meinem Verlassensein, dem Donner und den Blitzen, die mein Geschrei verschluckten.
    Als ich meine Mutter danach fragte, sagte sie lachend, das sei ein ordentliches Gewitter gewesen, gut, dass Dagi da noch nicht geboren war, und sie erzählte in spannenden Einzelheiten, wie sie nur schnell im Naugarder See ihre morgendliche Runde hatte schwimmen wollen und, von dem fürchterlichen Unwetter überrascht, auf einer Insel Zuflucht hatte suchen müssen.
    Paul war acht, Irmchen fünf. Paul spielte immer mit seinen Soldaten Schlachten, und Irmchen musste die Figuren der Feinde bewegen. Weil sie das nur mit Widerstreben, tat holte Paul oft mich dazu. Laura, die Jüngste, war drei und noch zu klein, um mit uns zu spielen. Deswegen musste sie allein spielen oder mit Dagi Mutter und Kind. Mir gefiel das, weil Dagi dann manchmal auch nachts bei ihr schlief und nicht stören konnte, wenn mir meine Mutter noch eine Geschichte vom kleinen Prinzen erzählte.
    Auf jeden Fall war es eine gute Nachricht, dass sie nicht da war. »Dann können wir noch Mensch ärgere Dich nicht spielen«, schlug ich gleich vor. Gemeinsam Spiele spielen, hatte ich mir zum Geburtstag gewünscht. Meine Mutter antwortete ausweichend, und ich hatte sofort die Frage parat, was wir denn sonst machen würden.
    »Du hast morgen Geburtstag, und da musst du ausgeschlafen sein«, sagte sie zu meiner großen Enttäuschung. »Ich bring dich jetzt ins Bett, dann schläfst du schön, und morgen früh kommen alle zu deiner Geburtstagstafel zusammen.«
    »Ich will aber noch nicht ins Bett!«, brüllte ich.
    Mein Protest war etwas zu laut, und sofort war mein Vater da. »Du tust, was deine Mutter dir sagt, und zwar ohne Widerrede!«
    Ich hielt meinen Mund und musste warten, bis ich mit ihr alleine war. Als sie neben mir am Bett saß, begann ich die Verhandlungen neu und luchste ihr das Versprechen ab, noch einmal zu mir zu kommen, falls ich nicht schlafen könnte.
    »Du wirst schon schlafen«, sagte sie.
    »Aber wenn nicht, erzählst du mir noch eine Geschichte vom kleinen Prinzen?«
    »Wenn ich Licht sehe, komme ich. Aber erst mal machen wir es jetzt aus.«

2. KAPITEL
    I
    mmer wieder mokierte sie sich später darüber, wie spießig er gewesen war. Als sie ins Wohnzimmer zurückkam, ließ sie ihn nicht aus den Augen. Sie wusste, dass der Blick durch die halb gesenkten Lider ihn in äußerste Erregung versetzte. Er atmete schwer, und diesen Atem hatte sie schon am Bahnhof gespürt. Dieser Atem weckte das Bedürfnis, von ihm begehrt zu werden. Mehr noch: Sie wollte von seiner Gier durchdrungen sein.
    Langsam und ohne ihn aus den Augen zu lassen, schloss sie die Tür hinter sich. Sie machte einige Schritte auf ihn zu, um ihre Seidenstrümpfe aneinander zu reiben, denn sie wusste, wie sehr ihn dieses knisternde Geräusch aufreizte. Sie presste ihre halb nackten Arme gegen die Schenkel und zog die Strümpfe langsam hoch, sodass der schwarze, knielange Rock mit glitt, bis ihre Strumpfhalter zu sehen waren und ihm klar wurde, dass sie keinen Schlüpfer trug. All ihre Bewegungen begleitete sie mit leise geflüsterten Versprechungen.
    Schwer

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