Die Maikaefer
atmend stützte er sich gegen den Tisch, unfähig, unter ihren Blicken irgendetwas zu denken, bis ein Geräusch im Haus ihn aufhorchen ließ und er plötzlich realisierte, dass die Gardinen zur Straße hin noch weit offen waren und sie beide im hellen Licht der Deckenlampe standen. Ehe er aber daran etwas ändern konnte, war sie heran und hielt ihn an der Krawatte seiner Uniform fest.
»Wir müssen die Vorhänge zuziehen«, zischte er.
Sie aber lachte und griff ihm an den Gürtel. »Du kannst dich zwischen mir und den Vorhängen entscheiden.«
Immer wieder mokierte sie sich später darüber, wie spießig er in vieler Hinsicht gewesen sei. Um das zu belegen, berichtete sie mir diese und andere Szenen in allen Einzelheiten. Auch diesmal gab er ihrer Drohung nicht nach, zu schrecklich war für ihn der Gedanke, sich den Augen der Nachbarn preiszugeben. Sie lachte wieder, aber diesmal lachte sie ihn aus, nachdem er sich von ihr befreit hatte und hastig an den Vorhängen herumzerrte, um mögliche Zuschauer am Blick ins Zimmer zu hindern. Um diese Abendzeit war das ziemlich unwahrscheinlich und auch nicht einfach, denn die Wohnung lag im ersten Stock, und ein Passant hätte schon in die Kastanien vor dem Haus klettern müssen, um Zeuge dieses Spektakels zu werden.
Er betrachtete diese Art von Anstand aber als seine Pflicht, und während er sie erfüllte, wies er zu seiner Verteidigung auf das generelle Verdunklungsgebot im Lande hin.
»Wenn das Licht eine solche Rolle spielt«, sagte sie, »dann muss ich jetzt erst hinüber zum Kinderzimmer gehen, denn ich habe mit ihm ausgemacht, dass ich nachschaue, wenn er Licht hat.«
Mit zwei Sprüngen war er bei ihr, umklammerte sie und fauchte ihr mit bebender Stimme ins Ohr, er würde die Sicherung für das Kinderzimmer herausdrehen. Schnell war er im Flur und hatte das erledigt, bevor sie protestieren konnte.
Das erste Mal in dieser Nacht nahm er sie auf dem Esszimmertisch. Dann trug er sie ins Schlafzimmer und ließ dort nur so viel Zeit verstreichen, wie sie brauchte, um ihn wieder auf Touren zu bringen. Wenn sie einschliefen, war sie es, die als Erste wieder erwachte. Mit vorsichtigen Fingern überzeugte sie sich dann sogleich, in welchem Zustand sich sein Geschlechtsteil befand. Sie brauchte nicht lange, um es sich mit großer Geschicklichkeit einzuverleiben und sich langsam in die sanften Gefilde ihrer Lust zu schaukeln, ohne dass er zu sich kam, bis ihre Umarmung heftiger wurde und selbst seine Rücksichtnahme auf die Nachbarn nicht mehr ausreichte, die Lautstärke ihres Stöhnens zu kontrollieren.
3. KAPITEL
T
ierähnliche Laute drangen bis in mein Kinderzimmer. Ein unüberwindliches Verbot hinderte mich daran, der realen Ursache auf den Grund zu kommen.
Nachdem meine Mutter verschwunden war, ohne mir noch eine Geschichte vom kleinen Prinzen zu erzählen, lauschte ich in den Abend hinaus. Es war nichts zu hören außer den drei Schlägen von der Marienkirche und dem Pochen meines eigenen Herzens. Ich legte mir die Hand auf die Brust und zählte mit, um einzuschlafen, wie es mir Tante Kläre gezeigt hatte. Da ich aber die Zahlen nur bis zehn kannte, musste ich immer von Neuem beginnen und verlor nach drei oder vier Wiederholungen die Lust daran. Mir wurde immer klarer, dass ich nicht einschlafen konnte, auch wenn ich noch eine Weile zögerte, das Licht anzumachen. Schließlich drückte ich entschlossen den Knopf-, das Licht ging aber nicht an.
Ich stand auf, tastete mich zur Tür und fand den Schalter für das Deckenlicht, doch auch das blieb aus. Irgendwas war kaputt. Ich fasste den Türgriff, um Bescheid zu sagen, dass das Licht nicht funktionierte. Die Tür war verschlossen.
Ich hätte klopfen oder schreien können, aber instinktiv wusste ich, dass das nichts nutzen würde. Es war schon einmal passiert, vielleicht schon viele Male. Wenn sich auch die Details meiner Erinnerungen aufgelöst hatten, war mir doch die Vergeblichkeit all meiner Versuche bewusst. Es hatte keinen Sinn zu klopfen oder zu rufen.
Ich begann zu weinen.
Oft erhellte der Mond mein Zimmer, auf dessen Tapeten sich die großen Blumenmuster zu bewegen schienen, aber jetzt war es stockfinster. Schluchzend schlich ich ins Bett zurück und kroch unter die Decke. Dort wollte ich Schutz finden, doch die Decke schützte mich nur vor der Kälte von draußen, nicht vor der Kälte, die aus meinem Herzen aufstieg und mir in allen Formen einer Geistersprache von meiner Verlassenheit erzählte. Anfangs
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