Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mappe meines Urgrossvaters

Die Mappe meines Urgrossvaters

Titel: Die Mappe meines Urgrossvaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
Vom Netzwerk:
Art nicht anders, so wie ihr nicht anders konntet. Geht hinüber zu ihr, sucht sie nicht zu bewegen, tröstet sie eher - aber sprecht nur mit einander, ich meine, daß es gut ist. Nicht wahr, Doctor, ihr thut das?«
    Wir blieben nach dieser Rede beide noch eine Zeit lang stehen, ich hatte keine rechte Antwort und schwieg daher verlegen, er drang auch nicht in mich.
    »Nun? soll ich euch zu ihr führen?« fragte er endlich recht sanft.
    »Ja,« sagte ich.
    Und nach diesen Worten nahm er mich unter den Arm, und führte mich hinaus. Wir gingen über den Gang, und dann über die feine gelbe Rohrmatte ihrer Schwelle hinein. Sie war in dem ersten Zimmer nicht.
    »Wartet hier ein wenig, sagte er, ich werde hinein gehen, und sie euch senden. Vielleicht könnte sie nicht in der Lage sein, euch zu empfangen. Wenn sie aber erscheint, werde ich selber nicht wieder heraus kommen, sondern mit dem Schlüssel das Bücherzimmer öffnen und durch dasselbe in meine Wohnung zurückkehren.«
    Er ging durch die halbgeöffnete Thür in das anstoßende Zimmer, und wahrscheinlich auch in das fernere.
    Ich blieb heraußen stehen, und es war sehr stille. Endlich, da ich eine Weile gewartet hatte, bewegte sich schwach der halbe etwas offen stehende Thürflügel - und sie trat heraus.
    Ihre Augen waren auf mich gewendet - -
    - Morgen Margarita. -
     
     

4. Margarita
     
    Ehe ich weiter gehe und eintrage, was geschehen ist, will ich noch des Obrists gedenken, und mir seine Seele vor die Augen halten - ich muß den Mann hoch ehren, und will es in diesem Buche nieder schreiben, wie er ist. Was der Obrist sagte und that, habe ich bisher nicht nach meinem Gedächtnisse allein aufgeschrieben sondern nach der Handschrift, die er mir ge lassen, und die er über diese Dinge aus seinen versiegelten Päken genommen hat, wie ich ihn ja selber in diesem meinem Buche nachzuahmen versuche. Was ich weiter sage und eintrage, weiß ich ja schon längst, aber es ist mir nie so klar und deutlich vor die Augen gekommen, als an diesen Tagen. Wie gut er ist nicht nur gegen mich, sondern auch gegen alle andern, wie einfach und schön er ist, zeigt sich ja viel deutlicher in dem, was er thut, als es mit allen andern Worten je gesagt werden könnte.
    Da hat er oberhalb des Eichenhages die Senkung gereutet, die er sich gekauft hatte, und in der nur saures Moos, geflecktes Gras, und die einzelne herbe rothe Moosbeere zwischen den dünnen Föhrenstämmen wuchs, die auch in der Nässe nicht fortkommen wollten, und hat dann Gräben schlagen lassen, hat unversumpfbares Erlenholz hinein geworfen, und sie wieder überwölbt, hat Abzugskanäle und Auslaufgräben mauern lassen, hat das Ganze mit Pflügen umgerissen, durch mehrere Jahre Sämereien hinein gebaut, und hat jetzt eine Wiese daraus, die rechts oben an der Ecke des Meierbacher Weizenstückes beginnt, hinter den Eichen hinüber geht, und wenn man von den Sillerhöhen herab kömmt, weithin mit ihrem schönen dunklen Grüne leuchtet, wo ehedem nur kaum das Grau der kleinen Föhrenbäumchen zu schauen gewesen war, und jetzt oft schon das gelblich rothe Eichenlaub abfällt, wenn daneben noch die schöne grüne Tafel schimmert. Weil aber die Wiese von dem Hause des Obrist aus nicht sichtbar ist, und überhaupt eine sanft geschwungene Wiege bildet, in der man Menschen und Thiere nicht sehen kann, außer wenn man von den Höhen der Siller herab kömmt, so haben sich die Buben, welche in unsern Gegenden gewohnt sind auf Rainen, Gemeindeplätzen und Stoppeln einige oder die andern Stücke Rinder herum zu hüthen, die Wiese ausersehen, um ihre Thiere besser und schneller zu nähren, als es sonst irgendwo der Fall gewesen wäre. Das fette Gras und die Geborgenheit mochte manchen verleitet haben, seine Pfleglinge hinein zu lassen und dem frischen Weiden derselben zuzuschauen. Als man dem Obristen diese Sache hinterbracht hatte, wurde er sehr zornig und sagte, er sehe nicht ein, warum er sich so geplagt habe, um aus dem schlechten Grunde ein schönes, gezähmtes menschliches Erdenstück zu machen, wenn es jetzt so mißbraucht, und heimlich herab gewürdigt werde. Er wolle bei Gelegenheit selber hinauf gehen, und sich Recht verschaffen. - Dem zu Folge ging er eines frühen Morgens, als sich wieder Verdacht zeigte, es möchte an seiner Wiese Frevel begangen werden, durch die Eichen, die hinter seinem Hause einen so schönen Hag bildeten, hinauf, und da er aus den letzten Bäumen ins Freie heraus getreten war, sah er auf seiner Wiese

Weitere Kostenlose Bücher