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Die Mappe meines Urgrossvaters

Die Mappe meines Urgrossvaters

Titel: Die Mappe meines Urgrossvaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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auf dem Gesichtchen die schwachen Linien des Weinens zusammen zogen, da riß ich sie an mich, und weinte mich selber recht zu Tode. - Dann schien die Sonne, wie alle Tage, es wuchs das Getreide, das sie im Herbste angebaut hatten, die Bäche rannen durch die Thäler hinaus - - nur daß sie allein dahin war, wie der Verlust einer goldenen Mücke. - Und wie ich in jener Zeit mit Gott haderte, hatte ich gar nichts, als daß ich mir fest dachte, ich wolle so gut werden, wie sie, und wolle thun, wie sie thäte, wenn sie noch lebte. Seht, Doctor, ich habe mir damals eingebildet, Gott brauche einen Engel im Himmel und einen guten Menschen auf Erden: deßhalb mußte sie sterben. - Ich ließ einen weißen Marmorstein auf ihr Grab setzen, auf dem ihr Name, der Tag ihrer Geburt und ihr Alter stand. Dann blieb ich noch eine lange Zeit in der Gegend: aber als die Berge nicht zu mir reden wollten, und die Pfade um die Wiesenanhöhen so leer waren, so nahm ich mein Kind, und ging mit ihm fort in die Welt. Ich ging an verschiedene Orte, und suchte an jedem, daß mein Töchterlein nach und nach lerne, was ihm gut thun möchte. - Ich habe vergessen, euch zu sagen, daß mir mein Bruder schon früher geschrieben hatte, daß ich zu ihm kommen möchte, weil er so krank sei, daß er die Reise zu mir nicht machen könne, und er habe dennoch sehr Nothwendiges und Wichtiges mit mir zu reden. Ich ging, da ich mein Haus hinter dem Rücken ließ, zu ihm - und zum ersten Male seit dem Tode unsers Vaters sah ich wieder die Anhöhen um das Schloß und die Weiden an dem Bache. Er gestand mir, daß er damals einen Betrug gestiftet habe, und daß er jetzt recht gerne mit dem vergelten und gut machen werde, was noch da sei. Ich rächte mich nicht - er stand in dem Saale vor mir, ein dem Tode verfallener Mann, ich machte ihm gar keine Vorwürfe, sondern nahm von den Trümmern des Vermögens, dessen Bücher er mir aufschlug, das wenigste, was meine Pflicht gegen mein Töchterlein noch zuließ, damit ich es nicht seinem armen Sohne entzöge, den ihm sein Weib geboren hatte, das noch bei ihm auf dem Schlosse war - und dann fuhr ich in einem Bauerfuhrwerke mit meiner Tochter wieder über die Brücke des Schloßgrabens hinaus, und hörte zum letzten Male die Uhr auf dem Thurme, die die vierte Nachmittagsstunde schlug. - Es ist weiter in meinem Leben nichts mehr geschehen. - Ich bin endlich nach einer Zeit in dieses Thal gekommen, das mir sehr gefallen hat, und ich blieb hier, weil so schöner ursprünglicher Wald da ist, in dem man viel schaffen und richten kann, und weil eine Natur, die man zu Freundlicherem zügeln und zähmen kann, das Schönste ist, das es auf Erden gibt.«
    Der Obrist hörte mit diesen Worten zu reden auf, und blieb eine bedeutend lange Zeit neben mir sitzen und schwieg. Ich schwieg auch.
    Endlich nahm er wieder das Wort und sagte: »Ich habe nichts, als Margarita, sie gleicht ihrer verstorbenen Mutter im Angesichte und in der ganzen Art so sehr, wie man es kaum glauben sollte, - - Doktor, thut mir nicht weh in meinem Kinde.«
    »Nein Obrist, das thue ich nicht - - ich reiche euch die Hand, daß ich es nicht thue.«
    Bei diesen Worten reichte ich ihm meine Hand, er gab die seine auch, und wir schüttelten sie uns gegenseitig zum Zeichen des Bundes.
    Dann blieben wir noch eine Weile sitzen, ohne zu sprechen. Endlich stand er auf, ging ein wenig in dem Zimmer herum, und trat sodann an das Fenster, dessen grünseidenen Vorhang er aufzog. Es war keine Sonne mehr an den Gläsern, aber eine ganze Fluth von Frühlingshelle schlug durch sie in das Zimmer herein.
    »Seht, wir werden heute ein Gewitter bekommen, sagte der Obrist, der an dem Fenster stehen geblieben war und hinaus schaute, es geht ein dichter dunstiger Himmel über den Kirmwald herüber, und am Rande des Reutbühls ziehn sich diese milchigen Streifen, was alle Mal ein Anzeichen von einem Gewitter ist.«
    Ich stand auch auf und trat zu ihm. Die friedliche schöne, in sanfte Gewitterschwüle gehüllte Gegend schaute zu uns herein, und grüßte huldvoll an das Herz.
    Wir standen und genossen der freien Luft, die bei dem Fenster herein strömte, das er nun auch geöffnet hatte.
    Ueber eine Weile sagte er wieder: »Ich möchte euch gerne zu Margarita führen - ihr müsset mit einander reden - redet gut mit einander, daß sich alles einfach löse. Ich habe gewußt, daß es so sein wird, wie es jetzt ist. Ihr habt beide gefehlt. Margarita that auch nicht recht, aber sie konnte nach ihrer

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